von Klaus Schameitat
Malta, bestehend aus den Hauptinseln Malta und Gozo sowie drei unbewohnten Inselchen, gehört zu den kleinsten Staaten der Erde. Mit nur 316 qkm Gesamtfläche ist es gerade so groß wie z.B. die Territorien der deutschen Städte Mönchengladbach und Krefeld zusammengerechnet. Die längste Strecke auf der Hauptinsel beträgt knapp 40 km (vom Fährhafen Cirkewwa bis zum Containerterminal bei Birżebbuga). Gleichzeitig gehört Malta zu den am dichtesten besiedelten Ländern der Erde: Rund 380.000 Einwohner drängen sich vorwiegend in dem „Ballungsgebiet“ an der Ostseite um die historisch bedeutende Hauptstadt Valletta. Dort geht die Bebauung von Stadt zu Stadt nahtlos ineinander über, und als Ausländer weiß man oft nicht genau, in welcher Ortschaft man gerade ist. Verkehrsstau und Parkplatzmangel kennt man in Malta nicht nur zur rush hour; die Luftverschmutzung durch einen sehr hohen Fahrzeugbestand ist trotz der Lage mitten im Meer ein ernsthaftes Problem geworden. Viele Autos sind Jahrzehnte alt und entsprechen nicht den heutigen technischen Anforderungen: alte Heckmotor-Škodas neben typisch englischen Vehikeln, klapprige Pickups neben japanischen Modellen der 70er Jahre...
Eine Eisenbahn existierte in Malta nur vorübergehend: von 1883 bis 1931 verband sie die alte Hauptstadt Mdina mit der Hafenstadt Valletta (im Bereich der beiden Endpunkte sogar tief unterirdisch!). Die lange Zeit als englische Kolonie und die Zugehörigkeit zum Commonwealth haben in dem erst seit 1974 unabhängigen Staat zahlreiche Spuren hinterlassen. Englisch ist Umgangssprache. Neben typisch englischen Telefonzellen sind der Linksverkehr und die von den Touristen so bestaunten englischen Uralt-Busse besonders auffällig. Geradezu exotisch mutet das Design der Leyland-, Bedford- oder Thames-Fahrzeuge an, die unter übermäßiger Geräusch- und Abgasentwicklung über die erschreckend holprigen Inselstraßen rattern. Abgesehen von Taxi oder Leihwagen bilden sie auch für Touristen das Rückgrat des Personenverkehrs.
Nahezu alle Buslinien beginnen am Terminal beim Brunnen vor dem Stadttor von Valletta und gehen sternförmig über die Insel. Querverbindungen gibt es fast gar nicht, so dass man in der Regel in Valletta umsteigen muss. Die Frequenz auf den einzelnen Strecken ist auf der Hauptinsel Malta zufriedenstellend bis gut, auf Gozo mancherorts aber nicht. Zumindest in der Hauptsaison führen einzelne Linien sogar zu archäologischen Stätten und beliebten Stränden. Die Haltestellen sind an den „Bus Stop“-Schildern leicht erkennbar; dort sind in der Regel die Abfahrtszeiten vom Ausgangspunkt der Linien angeschrieben. Am besten besorgt man sich einen Übersichtsplan, da die Busse grundsätzlich nur die Liniennummer, aber keine Zielangabe tragen. Der Fahrpreis ist in drei Zonen gestaffelt; abgesehen von den sogenannten „Express Services“ sind die Preise relativ niedrig. Für zwei Zonen zahlt man etwa 0,20 Lm (das sind 50 Euro-Cent). Die Fahrt in den Oldtimern ist unkomfortabel, auf jeden Fall abenteuerlich. Im Ballungsraum Valletta sind die Busse oft recht voll, und da sie allesamt nur eine einzige Tür besitzen, ist Gedränge unvermeidlich.
Es sind sogar noch einige Fahrzeuge mit vorgebauter Haube (Schnauze) im täglichen Einsatz. Auch alle anderen Oldtimer besitzen Frontmotor, im allgemeinen neben dem Fahrersitz bzw. über der Vorderachse. Immerhin gibt es neuerdings moderne Fahrscheindrucker. Der Fahrer ist während der Fahrt im dichten Verkehr ständig mit der Herausgabe von Wechselgeld beschäftigt. Im Grunde ist das Transportwesen in Malta auf der Stufe eines Entwicklungslandes stehen geblieben und entspricht nicht annähernd den heutigen Erfordernissen. In dem relativ wohlhabenden Kleinstaat lassen sich solche Zustände wohl nur mit den sehr kurzen zurückzulegenden Entfernungen erklären. Als künftiges EU-Mitglied (ab Mai 2004) muss Malta nun eine grundlegende Modernisierung des ÖPNV in Angriff nehmen. Im Laufe des Jahres 2003 wurde bereits eine nennenswerte Zahl moderner Fahrzeuge, sogar in Niederflurbauweise, importiert. Neben Cummins, BMC, Leyland und MAN ist ein eigens für die maltesischen Verhältnisse entwickeltes Modell des polnischen Herstellers Solaris zu beobachten. Auch die Neufahrzeuge besitzen wieder nur eine einzige Tür vorn beim Fahrer, dazu einen Notausgang hinten rechts. Die bereits erwähnten miserablen Landstraßen auf der Insel lassen Zweifel an der Lebensdauer moderner Fahrzeuge aufkommen. Im Vergleich zu den immer noch deutlich überwiegenden Oldtimern wirken die neuen weniger robust.
Touristen werden in wenigen Jahren auf eine typisch maltesische Attraktion verzichten müssen: Die Tage der Oldtimer sind nun gezählt. In der englischsprachigen Lokalpresse findet man jetzt häufiger Klagen (meist von ausländischen Besuchern), dass Malta um eine Kuriosität ärmer werde. Aber man findet ebenso Leserbriefe von Maltesern, die sich dagegen wehren, nur um des Tourismus willen tagtäglich mit unbequemem anachronistischem Gerät befördert zu werden. Schon kommt der Vorschlag, man könne ja ein Verkehrsmuseum einrichten.
Fahrzeugnummern findet man in Malta nicht. Eine Identifikation ist nur über das polizeiliche Kennzeichen (Nummernschild) möglich. Bis Ende der 1990er Jahre hatten alle Busse und Taxis spezielle orangefarbene Schilder, die den Buchstaben Y und eine vierstellige Zahl trugen. Heute gibt es nur noch die sogenannten Euro-Kennzeichen (links ein M auf blauem Grund) mit drei Buchstaben plus drei Ziffern, erstaunlicherweise in genau derselben Schrifttype wie die neueren deutschen Schilder. Alle Bus-Schilder haben an zweiter und dritter Stelle die Buchstaben BY, also beispielsweise EBY-576. Das Y steht angeblich für gewerbliche oder kommerzielle Nutzung.
Alle in diesem Artikel abgebildeten Fotos wurden von Klaus Schameitat im Oktober 2002 und im Oktober 2003 aufgenommen.
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