Italien ist grundsätzlich für den ÖPNV-Freund immer eine Reise wert, wenn man mal was anderes als die in Deutschland üblichen Einheitsfuhrparks sehen möchte. Einheitlich ist in Italien fast nur die Farbgebung der Fahrzeuge, nämlich orange im städtischen Linienverkehr und blau im Überlandverkehr.
Südtirol:
Eine Ausnahme - sowohl bei Wagenpark als auch bei Farbgebung - stellt
Südtirol (italienisch: Alto Ádige) dar. Der hiesige
Südtiroler Autobusdienst (SAD) lackiert seine Fahrzeuge
an Front und Heck in orange, während die Seitenflächen in
silbergrau gehalten sind. Hier sind als Neuanschaffungen zur Zeit
sehr viele Setra S 315 H zu verzeichnen. Für den Verkehr auf
Paßstraßen mit engen Kehren hält der SAD unter
anderem einen EvoBus MB O 404 in der kurzen Version vor.
In Meran (Merano), einer der beiden größeren Städte Südtirols,
war dann bei einem Auftragsunternehmer für den SAD ein älteres
Fahrzeug zu sehen, das aber für hiesige Gewohnheiten sehr fremd
wirkt: Hier gibt es Setra SL 215 SL in einer dreitürigen
Variante, wobei Tür 3 einflügelig ist. Außerdem sind
alle Türen (trotz Stadtbusvariante) Außenschwingtüren
.
Ansonsten hat Meran im Stadtverkehr eine sehr interessante Kombination.
Italienische Fahrzeuge beherrschen hier zwar auch das Bild, aber
unter anderem waren auch MAN NL 202 zu entdecken. Ansonsten waren
diverse Bauarten der italienischen Hersteller mit Iveco- bzw. bei
älteren Fahrzeugen FIAT-Motoren zu sehen.
San Remo / Italienische Riviera:
An der italienischen Fortsetzung der Côte d'Azur wird der
Busverkehr durch Riviera Trasporti (RT) abgewickelt. Für
die Größe von San Remo ist durchaus ungewöhnlich, daß
hier O-Busse (italienisch: filobus) unterwegs sind. Anfang Juli 1999
sind diese nur im Stadtgebiet von San Remo anzutreffen, aber die
Oberleitung führt von hier aus an der Mittelmeerküste
entlang bis Ventimiglia, dem Grenzort gen Frankreich.
Wie gesagt, sind die Filobusse im Sommer 1999 nach Ferienbeginn nur im Stadtgebiet von San Remo unterwegs. Das nebenstehende Bild zeigt einen O-Bus, der von Bredabus karossiert wurde. Hier verläßt er gerade den Wendeplatz an der Endstelle Villa Helios zurück ins Zentrum von San Remo.
Die Küstenroute nach Ventimiglia wird gemischt von Stadt- und Überlandwagen gefahren. Unter anderem sind hier schon fast historisch anmutende Busse auf FIAT-Basis anzutreffen, die in Sachen Sitzplatzangebot fast schon EvoBus und ihren Cito in den Schatten stellen. Das gewisse Etwas beim Busfahren in Italien: das akustische Signal beim Wagen hält, italienisch fermata prenotata (vorgemerkte Haltestelle), das ein wenig an die klassische Hotel-Rezeptionsklingel erinnert. Außerdem für deutsche Mitfahrer gewöhnungsbedürftig: in Italien gibt es Fahrkarten wohl grundsätzlich fast überall nur im Vorverkauf, und jeder Bus hat eine nicht übersehbare Beschriftung, die festlegt, an welchen Türen ein- und ausgestiegen werden soll. Bei der italienischen Mentalität ist es ziemlich klar, daß auch diese Festlegung eher Empfehlungscharakter hat...
In San Remo gibt es eine Art ZOB, von wo die meisten Stadt- und Überlandbusse verkehren. Hier sind auch die verschiedensten Bustypen zu beobachten. Interessant ist die Bauart der Bussteige. Sie beschränken sich auf kleine seitlich angeschrägte Podeste als Einstiegshilfe.
Mailand (Milano):
Im SITAM (Sistema Integrato Tariffario Area Milanese), dem Verbundtarif
der Region Mailand, wird der Busverkehr durch die ATM (Agenzia di
Trasporti Milanese) abgewickelt. Für die ATM fahren verschiedene
Betriebe, die aber alle das Stadtbus-orange aufweisen, teilweise
durch Farbstreifen ergänzt. In Sesto, einem nördlichen
Vorort Mailands und Endpunkt der Metro-Linie 1, waren alle Facetten
des Omnibusbaus präsent. Etwas spektakulär war hier der
Überlandbus, der von Lecco kommend auf dem Weg nach Mailand war
- es handelte sich tatsächlich um einen O 405 NÜ - in
diesen Breitengraden nicht so sehr verbreitet!
Nun aber zurück zu den italienischen Omnibusbauern. Von BredaMenarinibus war ein Niederflur-Gelenkbus (ja, sowas gibt es in Italien tatsächlich auch schon...) zu bewundern. Er zeichnete sich durch zwei wesentliche Punkte als echter Niederflurbus aus: Zum einen hat er den typischen Knick in der Fensterlinie, von hiesigen N2 hinlänglich bekannt, zum anderen weist auch diese Fahrzeugreihe das unmotivierte Pumpen der Niveauregulierung auf, das ja deutschen Niederflurern auch nicht unbekannt ist.
Ansonsten kann man im Norden Mailands überdurchschnittlich viele Gelenkbusse beobachten. In Sesto FS M1, einer zentralen Bushaltestelle an Bahnhof und Metrostation, laufen viele Zubringerlinien zusammen, die hier die Fahrgäste von und zu den Bahnen transportieren.
Die Krönung für den Busfreund ist
aber sicher die Baureihe mit vierachsigen Gelenkbussen - obwohl man
hier rein rechtlich von Bussen mit Anhänger reden muß,
denn bei genauer Beobachtung stellt man fest, daß der
Motorwagen hinten unterhalb des Faltenbalges eigene Rückleuchten
und ein Kennzeichen hat und der Anhänger ein gelbes
(Anhänger-)Kennzeichen, Anhängerdreiecke und auf der
Türseite das obligatorische Rimorchio
(=Anhänger-Kennzeichen).
Insbesondere die Konstruktion der Lenkung bei
diesem Fahrzeugtyp ist ansatzweise genial, denn die erste Achse des
Nachläufers ist ebenso wie natürlich die Hinterachse des
Motorwagens starr - ein gleicher Abstand zum Drehpunkt macht es
möglich. Stattdessen wird die Hinterachse des Nachläufers
über den Einknickwinkel gesteuert. Interessanterweise war so ein
Fahrzeug genau auf der richtigen Linie unterwegs, so daß ich
das Fahrgefühl live miterleben konnte. Hier zeigte sich, daß
- zumindest im Nachläufer - der Komfort ein wenig zu wünschen
übrig ließ...
In Mailand selbst wird die Hauptlast des nicht von der Metro abgedeckten Verkehrs von der Straßenbahn bewältigt. Hierbei sind z.T. noch antik anmutende Triebwagen unterwegs, die auf ein Baujahr vor dem zweiten Weltkrieg tippen lassen. Interessant war zu beobachten, daß diese Wagen keine Einrichtung zur Weichenfernsteuerung hatten. Die Straßenbahnführer mußten an den entsprechenden Stellen die Weiche mit einem Stelleisen selbst in Position rücken, bevor es weitergehen kann - wenn nicht grad ein moderneres Fahrzeug die Weiche bereits in die richtige Position gebracht hat....
Vereinzelt trifft man dann auch noch in Mailand
Busse an. Hier tauchen auch Niederflur-Zweiachser auf, traditionell
italienisch mit drei Türen und von Iveco motorisiert.
Grundsätzlich muß man sagen:
Italien ist immer eine Reise wert, und die Nutzung des öffentlichen
Nahverkehrs ist vergleichsweise günstig. So kostet
beispielsweise ein Ticket von Monza vor den Toren Mailands (das mit
der Rennstrecke..) bis in die City von Mailand gerade einmal 3.900
Lire, also ca. 4 DM, wobei man dann ca. 25 km hinter sich bringt. Das
Prinzip Tageskarte scheint in Italien einigermaßen unbekannt zu
sein, hier gibt es dann für Mailand eben nur die Einzeltickets,
die dann eine Stunde zur Benutzung der Verkehrsmittel berechtigen. An
der Mittelmeerküste bei San Remo kostet eine Bustour gen
Ventimiglia gerade einmal 2.200 Lire (ca. 2,30 DM), also ein noch
günstigeres Preis-Leistungsverhältnis.
Fazit also: Wenn Italien, dann auch ruhig Bus und Bahn nutzen! Zu den
Preisen kommt man hier nur selten im ÖPNV voran.
Bilder und Text: Jens Gerwien (stadtbus.de)
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