Test & Technik: Hess / Vossloh Kiepe lighTram Hybrid


In der Entwicklung hybrider Antriebstechnologien für Omnibusse finden sich neben solchen Konzepten, die auf klassischen Antrieben mit Verbrennungsmotor basieren, auch solche, die andere Wege einschlagen. Die Carosserie Hess und Vossloh Kiepe haben gemeinsam auf Basis von Oberleitungsbussen den lighTram Hybrid entwickelt, den Ihnen Daniel Kotus im Folgenden in Wort und Bild vorstellt.


Erster Doppelgelenkbus mit Hybridantrieb

zum Vergrößern bitte klickenlighTram Hybrid – diesen Produktnamen trägt der weltweit erste Doppelgelenkbus mit Hybridantrieb, welcher vom Schweizer Busbauer Carosserie Hess AG und der Vossloh Kiepe GmbH, dem renommierten Düsseldorfer Spezialisten für elektrische Antriebe, entwickelt wurde. Der lighTram Hybrid wird mit umweltschonender Hybridtechnik angetrieben. Die Energie wird durch einen Dieselgenerator im Fahrzeugheck produziert. Eine Besonderheit ist, dass die Bremsenergie direkt im Fahrzeug in Superkondensatoren zwischengespeichert werden kann und für folgende Anfahrvorgänge wiederverwendet werden kann. Durch den unterstützenden Elektroantrieb kann auf ein kleineres Dieselaggregat zurückgegriffen werden.

Am 18. Juli 2007 wurde der Prototyp des lighTram Hybrid erstmals bei den Zugerland Verkehrsbetrieben im schweizerischen Zug vorgestellt und dort anschließend mehrere Wochen im Linieneinsatz getestet. Der Hybrid-Doppelgelenkbus wurde als „ideales Transportgefäß für städtische ‚Stop and go'-Fahrten“ bewertet. Die Deutschland-Premiere erfolgte in der Zeit vom 21. bis 23. September 2007 in der baden-württembergischen Universitätsstadt Tübingen. Dort wurde das Fahrzeug anlässlich des 1. Energietages Baden-Württemberg der Öffentlichkeit präsentiert.


Konzeption

Antrieb

zum Vergrößern bitte klickenDer Antrieb des lighTram Hybrid basiert auf dem der verwandten Doppelgelenk-Oberleitungsbusse lighTram Trolley von Hess und Vossloh Kiepe, die in den schweizerischen Städten Genf, Zürich und Luzern zum Einsatz kommen und deren hoher Fahrkomfort auch von der Hybridversion erreicht wird. Ebenso profitiert der Hybridbus vom systembedingt höheren Beschleunigungsvermögen und der von Oberleitungsbussen bekannten hohen Steigfähigkeit. Für die Leistungsgewinnung des lighTram Hybrid wurde von Vossloh Kiepe der Serienhybridantrieb (SHA) entwickelt, der speziell auf die hohen Anforderungen wie Einsatzdauer und zyklische Belastungen zugeschnitten ist. Zudem tritt beim SHA kein störender Geräuschpegel auf, wie es bei einem hochlaufenden Dieselmotor typisch ist.

zum Vergrößern bitte klickenAuf die beiden Antriebsachsen wirkt jeweils ein eigener Asynchrontraktionsmotor mit je 160 kW. Während des Fahrens treibt ein Dieselmotor einen Generator an, der über einen elektrischen Zwischenkreis mit dem Traktionsmotor verbunden ist und eine Gesamtleistung von 250 kW bietet. Die Drehzahl des Dieselmotors ist dabei lastabhängig, aber gleichmäßig. Sobald das Fahrzeug bremst, wird die im Bremsvorgang freiwerdende Energie vom Vossloh Kiepe-eigenen Energiespeichersystem ESS aufgenommen, welches in der Lage ist, bis zu 320 kW zu speichern. Beim Beschleunigen steht diese Energie wieder zur Verfügung. Die Energieflüsse zwischen Generator, ESS und Traktionsmotor werden durch den sogenannten Energy Manager geregelt, welcher ebenso von Vossloh Kiepe stammt. Es können je nach Fahrzeugtyp und technischer Ausstattung Betriebsmodelle gewählt werden, welche eine Drehzahlreduzierung des Dieselmotors bis hin zum Abschalten in unterschiedlichsten Zeitfenstern erlauben. Das Anfahren und Bremsen kann somit mit abgeschaltetem Dieselmotor erfolgen. Dies bietet Vorteile für die Fahrgäste, die beim Ein- und Aussteigen nicht durch Lärm oder Abgase belästigt werden und den Aufenthalt an der Haltestelle dadurch als wesentlich stressfreier empfinden.

Die innovative Antriebslösung führt zu verringerter Schadstoffemission und zu einem wesentlich reduzierten Kraftstoffverbrauch. Der Prototyp erreichte bei ersten Testfahrten bereits Einsparungen von über 20%, nach einer Weiterentwicklung auf Basis der ersten Messergebnisse versprechen die Hersteller eine Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs um 30% gegenüber vergleichbaren Dieselbussen. Das Hybridantriebssystem SHA ist modular aufgebaut und erlaubt unterschiedliche Anwendungen. Neben einem Zweiachsantrieb in Gelenk- oder Doppelgelenkbussen ist auch ein Einsatz in Solobussen mit Einachsantrieb möglich. Im System sind zudem modernste technische Funktionen zum Auslösen des ABS/ASR und zur Fehlerdiagnose integriert.

zum Vergrößern bitte klickenFahrgestell

Der Doppelgelenkbus verfügt über vier Achsen. Dabei wird die erste Achse direkt gelenkt, die zweite und dritte Achse werden elektrisch angetrieben und die vierte Achse wird mechanisch gelenkt. Somit hat der knapp 25 m lange Doppelgelenkbus den gleichen Kurvenradius wie ein herkömmlicher Gelenkbus mit nur einem Gelenk und einer Länge von 18 m. Durch den Zwei-Achsen-Antrieb wird ein geringerer Verschleiß auf den Antriebsachsen erreicht.

Aufbau

zum Vergrößern bitte klickenzum Vergrößern bitte klickenDer Fahrzeugaufbau des lighTram Hybrid besteht aus dem CO-BOLT-System von Hess und dem Aluminum-Space-Frame-System mit geschraubten Profilen auf einem Niederflurfahrgestell ohne jegliche Schweißnähte. Materialspannungen und Verzug im Materialbau werden somit zuverlässig vermieden. Der Hersteller veranschlagt für diese Konzeption eine Lebensdauer von 25 Jahren verglichen mit etwa 8-12 Jahren bei einem herkömmlichen Dieselbus. Durch das geringere Gewicht des Aluminiumaufbaus werden zwei wesentliche Dinge ermöglicht. Zum einen ist der Energieverbrauch geringer und zum anderen das Beschleunigungsverhalten deutlich besser, das zusätzliche Gewicht des Hybridantriebs wird zudem durch die leichten Aufbauten ausgeglichen. Wartungs- und Instandhaltungszeiten werden durch die Korrosionsbeständigkeit der Aluminiumkarosserie wesentlich verkürzt, ebenso tragen die durch die Aluminiumaufbauten erreichten optimalen Zugänge zu allen Aggregaten zu kürzeren Standzeiten bei.

Aufgrund des geringeren Gewichts ist es möglich, mehr Fahrgäste zu befördern, die über die gesamte Fahrzeuglänge von annähernd 25 Metern von 100%-iger Niederflurigkeit profitieren. Durch die Anordnung des Dieselmotors im Heck werden im hinteren Fahrzeugbereich größere Podeste im Innenraum vermieden und es ergibt sich – neben der sicheren Erreichbarkeit aller Sitze – ein großzügiges Raumgefühl. Es kommen elektrische Schwenkschiebetüren zum Einbau, der Fahrer profitiert von einem VDV-kompatiblen Arbeitsplatz. Eine Konvektorenheizung mit Wärmespeicher oder eine Kompaktklimaanlage sorgen für die Heizung und Kühlung des Fahrgastraums, für die Fahrgastsicherheit und zum Schutz vor Vandalismus verfügt das Fahrzeug optional außerdem über eine Videoüberwachung.


Test in Tübingen

zum Vergrößern bitte klickenVom 21. bis 23. September 2007 war der erste lighTram Hybrid im Rahmen des 1. Energietages Baden-Württemberg zu Gast beim 25-jährigen Jubiläum der Stadtwerke Tübingen GmbH und wurde damit erstmals in Deutschland vorgestellt.

Dabei wurde das Fahrzeug zunächst am Freitag, 21. September 2007 auf dem Betriebshof des am Betrieb des örtlichen Stadtverkehrs beteiligten Omnibusunternehmens Kocher Lokalpolitikern und der Presse vorgestellt. Der Oberbürgermeister Boris Palmer bezeichnete das Fahrzeug in einer ersten Stellungnahme als einen „hochinteressanten Ansatz", der auch für den Stadtverkehr in Tübingen für Interesse wäre: „Wenn mit diesem Fahrzeug tatsächlich eine Energieeinsparung von 35 Prozent erreicht wird, so wäre das Klimaschutz im XXL-Format.“

Einen Tag später war das Fahrzeug beim Jubiläumsfest der Stadtwerke beim Gemeinschaftskraftwerk Tübingen in der Brunnenstraße ausgestellt. So bot sich der interessierten Öffentlichkeit die nach Aussage der Organisatoren ungewöhnlich rege angenommene Gelegenheit, den lighTram Hybrid anzuschauen und sich von Vertretern der Hersteller vor Ort über das Fahrzeug und seine Antriebstechnik informieren zu lassen. Für interessierte Bürger, die das Fahrzeug auch im Rahmen einer Mitfahrt erleben wollten, wurden am Sonntag, 23. September kostenlose Rundfahrten durchgeführt. Der Doppelgelenkbus pendelte zwischen 10 und 16 Uhr im Halbstundentakt zwischen dem Omnibusbahnhof und dem Stadtteil Lustnau und war dabei durchweg sehr gut besetzt.

zum Vergrößern bitte klickenIm Rahmen der Sonderfahrten war festzustellen, dass weder die stellenweise anspruchsvolle Topographie noch die oft enge Straßenführung im Zentrum der historischen Stadt dem Fahrzeug Probleme bereiteten. Alle Kurven in Tübingen wurden vom Doppelgelenkbus gut gemeistert, während auf nichtöffentlichen Testfahrten nach Aussage der Herstellervertreter selbst auf den zwischen 6% und 10% steilen Strecken zum bevölkerungsreichen Stadtteil Waldhäuser Ost noch Geschwindigkeiten von über 20 km/h gehalten werden konnten. Gewöhnliche Gelenkbusse im Linienbetrieb des Stadtverkehrs Tübingen erreichen an gleicher Stelle meist nur unwesentlich höhere Geschwindigkeiten, allerdings wurde für den lighTram Hybrid die Möglichkeit der Leistungssteigerung durch ein stärkeres Dieselaggregat in Aussicht gestellt. Das Fahrgefühl aus Fahrgastsicht war im Rahmen des Testeinsatzes in Tübingen als durchweg gut zu bewerten, wozu das sehr leise Motorengeräusch und das aufgrund des elektrischen Antriebs nahezu ruckfreie Fahren beitrugen. Auch die hohe Fahrgastkapazität bei durchgängiger Niederflurbauweise im ganzen Fahrzeug fiel positiv auf, wurde jedoch dadurch getrübt, dass viele Sitzpaare gegen die Fahrtrichtung angeordnet sind. Der Grund hierfür liegt in technischen Zwängen angesichts der notwendigen Anordnung der Elektromotoren in unmittelbarer Nähe der angetriebenen zweiten und dritten Achse, was den meist am liebsten in Fahrtrichtung sitzenden Fahrgästen nicht entgegen kommt. Angesichts der starken Belastung Tübingens durch vom Straßenverkehr verursachte Emissionen zeigte sich allerdings der geringere Schadstoffausstoß als eindeutig positiv und umweltfreundlich.

Im Großen und Ganzen präsentierte sich der lighTram Hybrid als ein ideales Transportgefäß für die bisweilen im Stadtverkehr Tübingen auftretenden hohen Fahrgastaufkommen, denen er mit seiner sehr hohen Kapazität, durchgehenden Niederflurigkeit und seinem leistungsfähigen wie umweltfreundlichen Antrieb durchaus gewachsen zu sein schien. Von der Stadtwerke Tübingen als Auftraggeber des lokalen Stadtverkehrs sowie von Tübingens Oberbürgermeister Palmer wurde angesichts der positiven Erfahrungen der ersten Testeinsätze eine Anschaffung solcher Fahrzeuge in den nächsten Jahren nicht ausgeschlossen.


Technische Daten

Länge24.691 mm
Breite2.550 mm
Höhe3.440 mm
Einstiegshöhe327 mm
WendekreisInnenradius 12 m, Außenradius 25 m
Gesamtgewicht39 t
maximale Achslast11,5 t
Beförderungskapazitätim Vorführfahrzeug: 180 Fahrgäste (davon 59 sitzend)
AntriebsachseAchsen 2+3
maximale Steigfähigkeit14%
Höchstgeschwindigkeit80 km/h
 
Traktionsmotoren
Typ2 fremdbelüftete Drehstom-Asynchronmotoren
Nennleistung2 x 160 kW
maximales Drehmoment2 x 1800 Nm, einstellbar
Gewichtje 560 kg
 
Antriebs-Umrichter
TypKiepe IGBT-Direkt-Pulsumrichter Hybrid
Ausgangsleistung160 kW
 
Generator-Aggregat
Typpermanent erregter Synchrongenerator, flüssigkeitsgekühlt
Leistung190 kW
Drehzahlbereich600–1800 min-1
 
Energiespeicher
TypSupercap (Superkondensator)
Kapazität4 Module je 0,25 kW/h ~240 kW 15 sec


Weitere Informationen zum lighTram Hybrid und seinen Herstellern finden Sie auf den Internetseiten der Carosserie Hess AG und der Vossloh Kiepe GmbH.


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