Test & Technik: Der neue MAN Lion's City


von Manuel Bosch

Im Februar 2005 lieferte die NEOMAN Bus GmbH die ersten MAN Lion's City in der überarbeiteten, zur IAA Nutzfahrzeuge 2004 vorgestellten Ausführung an die Verkehrsbetriebe aus. Die erste Serie erhielt dabei das private Busunternehmen Dr. Richard im österreichischen Wien, kurz darauf wurden auch die ersten Fahrzeuge an deutsche Kunden übergeben. Im Folgenden sollen der aktuelle Lion's City vorgestellt und erste Eindrücke geschildert werden.

Der Weg zum neuen Lion's City
Im Jahre 1997 stellte MAN den neuen Niederflurbus A21 erstmals vor - er sollte bis zur Jahrtausendwende den seit 1992 in podestloser Ausführung gefertigten MAN A10 ablösen. Nachdem die ersten Exemplare des A21 noch die markante Stufe im Fensterband aufwiesen, wurde diese bald mit schwarz hinterlegter Verglasung deutlich weniger auffällig gestaltet. Zur IAA Nutzfahrzeuge im September 1998 zeigte MAN dann eine Version mit neugestalteter Frontpartie, die fortan in Serie ging und sukzessive um alle gängigen Längenvarianten ergänzt wurde. Im Laufe des Jahres 2001 erfolgte die Umstellung auf Euro 3-Motoren, zudem hielt die CAN-Bus-Technik Einzug in die Niederflurbusse von MAN.

zum Vergrößern bitte klicken zum Vergrößern bitte klicken Zur IAA Nutzfahrzeuge 2004 präsentierte MAN nun eine wiederum deutlich überarbeitete Ausführung des A21. Dabei wurden auch optisch größere Veränderungen vorgenommen, neben einer völlig neugestalteten Front- und Heckpartie ist die Verglasung der Seitenscheiben bis zur Dachkante hochgezogen, und auch der Innenraum erfuhr eine Überarbeitung. Zudem wird der neue A21 künftig unter dem - auch bislang schon gültigen, aber selten verwendeten - Produktnamen "Lion's City" vermarktet. Die Fertigung der Rohbauten erfolgt in Polen, der Ausbau teilweise ebenfalls in Polen oder in Salzgitter. Nach der Übernahme von Neoplan wurde im Stadtbusbereich eine Vereinheitlichung bewirkt: Die Neoplan Centroliner Evolution der aktuellen Ausführung basieren auf den gleichen Rohbauten, mit dem Facelift des A21 wurde die Zahl der Gleichteile maximiert - optisch unterscheiden sich die Fahrzeuge seitdem nur noch im Front- und Heckbereich sowie geringfügig im Fahrgastraum.

Eindrücke des Lion's City im Fahrgasteinsatz
Anfang Juni bestand die Gelegenheit, in einem der ersten ausgelieferten MAN Lion's City Eindrücke aus dem Fahrgasteinsatz zu gewinnen. Bei dem Fahrzeug handelte es sich um einen Wagen des Wiener Verkehrsbetriebs Dr. Richard, der im Februar ausgeliefert wurde, jedoch erst seit Anfang Mai im Fahrgastbetrieb eingesetzt wird. Die Fahrten wurden am Abend eines recht heißen Frühsommertages bei trockenem Wetter durchgeführt.

Antrieb und Fahrverhalten
zum Vergrößern bitte klicken Das Einsatzgebiet der neuen Lion's City von Dr. Richard auf den Linien 56B, 156B und 58B ist gekennzeichnet durch eine suburbane Geografie in teilweise noch städtischen, teilweise auch weniger dicht besiedelten Wiener Vororten; die Topographie ist dabei bisweilen anspruchsvoll und bietet zudem alle Formen von Straßenzuständen. Der Antriebsstrang der Wiener Fahrzeuge besteht aus dem 310 PS-Euro 3-Motor in Verbindung mit einem Fünf-Gang-Automatikgetriebe von ZF - diese Kombination sorgt für eine Spurtfreudigkeit beim Anfahren und ausreichende Leistung auch bei Bergfahrten. Dank der feinen Abstufung des Getriebes kann aber auch mit niedrigen Drehzahlen nahezu jeder erforderliche Geschwindigkeitsbereich gehalten werden. Dabei arbeitet der Antrieb trotz der kernigen Maschine und eines in allen Drehzahlbereichen vernehmbaren Turbolader-Pfeiffens insgesamt erfreulich ruhig. Die Haltestellenbremse löst übrigens nahezu lautlos ohne das bislang markante Zischen. Das Fahrwerk erscheint fast optimal abgestimmt und meistert die verschiedenen Straßenbeläge recht souverän, lediglich an einigen kritischen Punkten ist es eine Spur zu hart.

Fahrerarbeitsplatz
zum Vergrößern bitte klicken Der Fahrer findet im Dr. Richard-Wagen den neu entwickelten, MAN-eigenen Arbeitsplatz, der in weiten Bereichen dem standardisierten VDV II-Fahrerplatz - der wahlweise auch im neuen Lion's City weiterhin eingebaut wird - angelehnt ist. Die Anordnung der Taster und Schalter ist leicht abweichend, die Gangwahl erfolgt über einen Drehwahlschalter statt der bekannten Tastenleiste. Zentral hinter dem Lenkrad befindet sich das Display, auf dem alle wesentlichen Fahrzeugfunktionen angezeigt werden können, Ölstand und Dieselvorrat werden aber im Gegensatz zum VDV II-Fahrerplatz wieder auf separaten Analoganzeigen dargestellt. Über den Sinn dieses eigenentwickelten Fahrerplatzes lässt sich sicherlich streiten - aus ökonomischer Sicht ist die Einführung jedoch verständlich, da VDO Kienzle als Monopolist den Preis des einheitlichen VDV II-Arbeitsplatzes bestimmen kann.

Fahrgastraum
Der Fahrgastraum macht einen weiträumigen und freundlichen Eindruck und wurde im Vergleich zur bisherigen Ausführung an einigen Punkten verbessert. Auffällig ist vor allem der Platz für das Fahrgastinformationssystem über dem Durchgang vom vorderen Einstieg zum Fahrgastraum. Bislang war dort ein Querkanal vorhanden, an dem die verschiedenen Formen von Haltestellenanzeigen und Bildschirmen angebracht wurden. Der neue Lion's City bietet dort einen dezent geschwungen ausgeführten, zum Fahrgastraum hin verglasten Kasten, in dem je nach Bedarf des Betreibers eine Haltestellenanzeige beliebiger Größe untergebracht oder alternativ der Kasten durch Bildschirme eines Infotainment-Systems ersetzt werden kann. Das Dr. Richard-Fahrzeug verfügt über eine einzeilige Haltestellenanzeige in LCD-Technik, die von allen Plätzen gut zu erkennen ist. Eine Dachklimaanlage übernimmt die Temperierung des Innenraums.

zum Vergrößern bitte klicken Auch die Dachvoute über der letzten Sitzreihe wurde in leicht geschwungener Form ausgeführt und setzt damit die Formensprache des neuen Lion's City konsequent fort. Die Sitzflächen der Hecksitzbank sind in die Plastikform eingelassen, ebenso der untere Teil der Rückenlehnen, die aber als eigenständige Elemente nach oben hinausgezogen sind. Positiv sind die Scharniere, mit denen sich die Rückenlehnen zu Reinigungszwecken umlegen lassen. Die Wiener Wagen sind mit Stadtbussitzen von SKA ausgestattet, die - ebenso wie die Sitze von Kiel und im Gegensatz zu den serienmäßigen Vogel-Sitzen - einen für den Stadtverkehr angenehmen Sitzkomfort bieten. Die mit Luftdruck angetriebenen Innenschwenktüren arbeiten geräuscharm, schnell und zuverlässig. Mit einer vom Fahrer manuell zu betätigenden Absenkeinrichtung, die ebenfalls schnell und zuverlässig senkt und hebt, kann die Einstiegshöhe wie bei Niederflurbussen üblich nochmals reduziert werden.

Eine gute Lösung sind die in den Abdeckleisten der Deckenverkleidung im Innenraum angebrachten Lautsprecherschlitze - diese Ausführung wirkt deutlich hochwertiger als beispielsweise die aufgesetzten Lautsprecheröffnungen zwischen den Dachleisten des Citaro von Mercedes-Benz. Die seitlichen Dachvouten weisen eine geschwungene Form auf, die beim getesteten Fahrzeug jedoch in einigen Fällen unterschiedlich stark ausfiel und so unsaubere Übergänge zwischen den einzelnen Klappenelementen erzeugte. Ebenso unsauber ist die gestückelte Innenverkleidung im Bereich des Querkanals hinter dem Fahrerplatz - durch die geringe Breite der Elemente biegen sich auch diese in einer abweichenden Form. Dieses Stückwerk war auch bei den A21 der ersten Baujahre zu beobachten, bei späteren Serien aber mit durchgehenden Elementen deutlich besser gelöst worden.

Die Verarbeitungsqualität ist neben diesen Unsauberkeiten auch ansonsten eher mäßig, zumindest beim Wiener Testwagen war vor allem auf holprigeren Straßenabschnitten ein deutliches Rappeln und Knacken aus dem gesamten Bereich der Innenverkleidung zu vernehmen. Da auch im Stadtbuseinsatz immer wieder kritische Straßenstücke befahren werden müssen, sollte hier eine bessere Verarbeitung angestrebt werden - wenn schon nach einmonatigem Einsatz ein unangenehmer Geräuschpegel aus der Dachverkleidung entsteht, ist vorstellbar, wie dieser nach einigen Jahren ausfällt. Auch im Bereich des hochgezogenen Bodenbelags auf den vorderen Radkästen waren unschöne Spalte an den Kanten zu entdecken.

Ein letzter, allerdings nebensächlicher Kritikpunkt ist nachwievor die Farbgestaltung der Front-/Fahrerkabinenwand, die von MAN entweder in einem sehr dunklen anthrazit oder in einem sehr hellen Weißton angeboten wird. Ein mittelgrauer Farbton wäre hier vorteilhaft, da einerseits das Anthrazit sehr dunkel wirkt, das Weiß jedoch sehr verschmutzungsanfällig ist.

Fazit
Insgesamt zeigt sich der neue Lion's City von MAN als souveränes Produkt - was allerdings auch erwartet werden darf, nachdem beim aktuellen Facelift die Vorteile des bisherigen A21 mit denen des Neoplan Centroliner vereint wurden. Das äußere Erscheinungsbild ist auffälliger - und damit sicherlich auch strittiger - als bisher, bedarf allerdings einer wohlüberlegten Lackierung, um die Wirkung nicht zu zerstören. Der Innenraum erfuhr einige Verbesserung, wenngleich die Verarbeitungsqualität zumindest beim getesteten Fahrzeug den größten Kritikpunkt darstellt. Bei Fahrwerk und Antriebsstrang, die ohne größere Änderungen vom bisherigen A21 übernommen werden konnten, macht der MAN einen nahezu optimalen Eindruck - in diesem Bereich liegt es am Betreiber, die für den jeweiligen Einsatzbereich optimale Kombination von Motor und Getriebe zu bestellen.

Varianten des MAN Lion's City
Wie üblich, wurde als erstes die Stadtbusausführung als A21 in der überarbeitenen Version ausgeliefert. Zwischenzeitlich sind aber auch der Überlandbus A20 und der Gelenkbus A23 auf aktuellem Stand erhältlich, ebenso die 15 Meter langen Dreiachser A25 und A26, die Stadtbusvariante mit Turmmotor und Supersinglereifen auf der Hinterachse als A37 und zukünftig eine 18,75 Meter lange Ausführung des Gelenkbus A23. Zur Zeit werden noch die bekannten Euro 3-Motoren mit 220 und 280 PS als 7-Liter-Maschine sowie mit 260, 310 und 360 PS als 12-Liter-Maschine eingebaut, bis 2006 wird die Umstellung auf Motoren nach der neuen Euro 4-Abgasnorm erfolgen. Kombiniert werden können diese Motoren mit den üblichen Automatikgetrieben von Voith und ZF.


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