Test & Technik: EvoBus MB Citaro G BlueTec Hybrid


von Manuel Bosch

Mehr als zwei Jahre nach der ersten Vorstellung war es Mitte Dezember 2009 soweit: Der Citaro-Gelenkbus mit Hybridantrieb von Mercedes-Benz ging in Stuttgart erstmals in den regulären Linienbetrieb. Eine Woche lang wurde das Fahrzeug durch die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) auf der Linie 42 getestet. Nach intensiven Versuchen mit dem Prototypen leitet der Test ins Jahr 2010 über, in dem voraussichtlich eine größere Anzahl der Citaro-Hybridbusse in Betrieb gehen wird.


Der Citaro G BlueTec Hybrid

zum Vergrößern bitte klicken Erstmals auf den Mercedes Omnibus-Tagen im November 2007 zeigte Mercedes-Benz den Prototypen des Citaro G BlueTec Hybrid, wie der Citaro-Gelenkbus mit Hybridantrieb offiziell genannt wird. Die Entwicklung des Fahrzeugs hatte 2006 in einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Projekt begonnen. Im Laufe des Jahres 2008 fanden intensive Erprobungen des Prototyps statt, die bis zu einer mehrwöchigen Wintererprobung am Polarkreis gingen. Im März 2009 hatten 250 Experten aus europäischen Verkehrsbetrieben erstmalig die Gelegenheit, den Hybridbus im Fahrbetrieb zu erleben.

Von allen Hybridkonzepten hat Mercedes-Benz im Citaro-Hybridbus den weitgehendsten Ansatz gewählt. Es handelt sich um einen seriellen Hybrid, das heißt der Bus wird rein elektrisch und unabhängig vom Dieselmotor angetrieben. Der Antrieb selbst erfolgt über elektrische Radnabenmotoren, von denen je zwei an der zweiten und der dritten Achse angebracht sind. Der Strom für die Radnabenmotoren kommt aus einer Lithium-Ionen-Batterie, die auf dem Fahrzeugdach angeordnet ist. Die Batterie wird entweder durch den Dieselmotor gespeist, der lediglich als Stromgenerator arbeitet, oder durch die Bremsenergie, die die Radnabenmotoren bei Gefällefahrten bzw. beim Abbremsen des Fahrzeugs als Generatoren in Strom umwandeln und in die Batterie zurückleiten. Auch sämtliche Nebenantriebe wie der Luftkompressor oder die Klimaanlage werden elektrisch betrieben.

zum Vergrößern bitte klicken Die Radnabenmotoren erbringen zusammen 320 kW Leistung und können den Bus frei von Schaltrucken beschleunigen. Sobald der Strom aus der Batterie soweit wie zulässig verbraucht ist, springt der Dieselmotor an und produziert Strom. Da der Dieselmotor lastunabhängig betrieben wird, konnte er deutlich kleiner dimensioniert werden: Der Hubraum beträgt nur 4,8 statt 12 Liter, die Leistung 160 statt 220 oder 260 kW und das Gewicht 450 statt 1000 kg im Vergleich zum rein dieselbetriebenen Citaro-Gelenkbus. Zudem kann der Dieselmotor ständig mit einheitlicher Drehzahl und im optimalen Drehzahlbereich laufen. Die Lithium-Ionen-Batterie wiegt rund 350 kg und leistet maximal 240 kW. Ihr Vorteil liegt in einer hohen Energiedichte bei gleichzeitig hoher Speicherkapazität.

Das serielle Hybridkonzept verbindet damit die Speicherung und Nutzung der Bremsenergie mit der kleineren Dimensionierung des Dieselmotors. In Summe erwartet Mercedes-Benz eine Reduzierung des Dieselverbrauchs und der CO2-Emissionen um 20 bis 30 Prozent. Abseits des Antriebs entspricht der Citaro-Hybridbus dem regulären Citaro. Dies gilt insbesondere für den Innenraum, in dem lediglich die nur halbhohe Abdeckung des hinten links liegenden Dieselmotors auffällt. Rund 50 Sitzplätze und ein Fassungsvermögen von insgesamt bis zu 160 Fahrgästen stehen im Citaro G Hybrid zur Verfügung.


Testeinsatz in Stuttgart

Ursprünglich war der Linieneinsatz des Citaro G Hybrid in Stuttgart schon für den Herbst 2008 vorgesehen, allerdings erforderte insbesondere das Batteriesystem eine deutlich längere Erprobungs- und Optimierungszeit als geplant. Der Prototyp war von Beginn an im SSB-Gelb lackiert und nur mit silbernen Folien beklebt. Als dann Ende 2009 der Testbetrieb in Stuttgart endlich beginnen konnte, stellte Mercedes-Benz allerdings einen zweiten Citaro G Hybrid bereit. Das weiß lackierte Fahrzeug mit der Zulassung MA-MB 415 verfügt im Gegensatz zum Prototypen nur über drei Türen und wurde mit gelben Folien und Schriftzügen für den SSB-Einsatz beschriftet.

zum Vergrößern bitte klicken Der Linieneinsatz erfolgte vom 14. bis 18.12.2009 auf der SSB-Linie 42, wobei der Hybridbus nach festem Fahrplan als Verstärker zum Regeltakt fuhr. Die 42 ist die anspruchsvollste aller Stuttgarter Buslinien: Auf gut zehn Kilometern Länge liegen nicht nur 27 Haltestellen, sondern sind auch erhebliche Höhenunterschiede mit bis zu 8,5 Prozent Steigung zu bewältigen. Vom Schlossplatz in der Innenstadt über Gablenberg und die Uhlandshöhe in den Stuttgarter Osten, via Hauptbahnhof wieder durch die Innenstadt und durch den dichtbesiedelten Stuttgarter Westen zur Schreiberstraße in Heslach führt die Route. Mit über 30.000 Fahrgästen pro Werktag verzeichnet die Linie 42 die höchste Nachfrage aller SSB-Buslinien, so dass hier zeitweise im 7-Minuten-Takt und neben 18-Meter-Gelenkbussen auch mit 19,5 Meter langen CapaCity gefahren wird. Als Versuchsfeld hat die 42 schon eine lange Tradition - von eher unbemerkten Verbrauchsmessungen unterschiedlicher Getriebetypen bis zu dem Großversuch mit 17 dieselelektrischen Mercedes-Benz O 405 GNDE ab dem Jahr 1997.

zum Vergrößern bitte klicken Für einen Hybridbus bietet die Linie 42 damit optimale Voraussetzungen: Innenstadtverkehr mit häufigem Beschleunigen und Bremsen, durchschnittlich alle 400 Meter eine Haltestelle und längere Gefällstrecken. Der auffälligste Unterschied für den Fahrgast zeigt sich unmittelbar nach dem Einsteigen: Die Geräuschkulisse des Antriebs ist wesentlich gemäßigter als beim reinen Dieselbus - nicht nur am Berg, auch in der Ebene. Im reinen Batteriebetrieb hört man - ganz ähnlich einem Obus - nur das Surren der Radnabenmotoren, die allerdings beim Stuttgarter Testwagen etwas mehr hervortreten als im Prototyp. Schaltet sich der Dieselmotor zu, ist dessen Akustik dank 4,7 Litern Hubraum und konstanter Drehzahl spürbar mäßiger als die des 12-Liter-Motors und vor dem Gelenk nicht mehr zu hören. Allerdings: Verwöhnt vom reinen Batteriebetrieb, nimmt man ganz hinten im Fahrzeug den regelmäßig zu- und abschaltenden Dieselmotor trotz allem fast schon wieder als "laut" wahr. Im Testwagen ist der Dieselmotor indes schon besser gekapselt als im Prototyp, zum Ende der Testwoche hin fiel der Motor aber durch phasenweises Vibrationen und Dröhnen auf.

zum Vergrößern bitte klicken Der Citaro G Hybrid beschleunigt ruckfrei und zügig, auch am Berg. Das Energiemanagement schaltet den Dieselmotor bei Bedarf zu. Im Stuttgarter Testbetrieb war das oft unmittelbar nach dem Anrollen aus der Haltestelle der Fall, falls nicht zuvor eine Gefäll- oder Bremsstrecke befahren wurde. In längeren Gefällen wie die Alexanderstraße über Eugensplatz hinunter zum Olgaeck konnte aber ohne Weiteres auch über mehrere Haltestellen rein elektrisch gefahren werden, ohne dass der Dieselmotor einmal tätig wurde. Nun bleibt abzuwarten, wie sich der Dieselverbrauch angesichts dieser Erfahrungen darstellt und welche Einsparungen gegenüber einem reinen Dieselbus erzielt werden konnten.


Weitere Citaro G Hybrid bestellt

In Stuttgart musste sich der Citaro-Hybridbus erstmals im regulären Linienbetrieb mit Fahrgästen beweisen. Der Testbetrieb zum Ende des Jahres 2009 leitet über in die Auslieferung einer ganzen Reihe weiterer Citaro G Hybrid im nächsten Jahr, für die Mercedes-Benz in den letzten Monaten Aufträge erhalten konnte. Die zunächst größte Flotte solcher Fahrzeuge erhält die Hamburger Hochbahn AG, die im Jahr 2010 insgesamt zehn Wagen in Betrieb nehmen wird. Noch Ende 2009 sollte die RET im niederländischen Rotterdam zwei Citaro G Hybrid erhalten. Auch unter den 22 vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr geförderten Hybridbussen sind einige von Mercedes-Benz: Unter anderem werden in 2010 die Stadtwerke Krefeld vier und die Mülheimer Verkehrsgesellschaft einen Citaro-Hybridbus in Dienst stellen. Schließlich wird auch die SSB in Stuttgart fünf eigene Citaro G Hybrid beschaffen, sofern eine Förderung aus dem Bundesprogramm für Elektromobilität zugesagt wird - dann sollen im Dauereinsatz auf der Linie 42 unter wissenschaftlicher Begleitung detailliertere Erkenntnisse zur Hybridtechnik und zum Vergleich mit herkömmlichen Dieselbussen gewonnen werden. Insgesamt plant Mercedes-Benz die Fertigung von zunächst rund 30 Citaro-Hybridbussen.


Verwandtschaft: Der Citaro FuelCell Hybrid

zum Vergrößern bitte klicken Neben dem Citaro G BlueTec Hybrid hat Mercedes-Benz im Herbst 2009 ein weiteres zukunftsweisendes Antriebskonzept im Fahrbetrieb vorgestellt: Der neue Citaro FuelCell Hybrid kombiniert die serielle Hybridtechnik mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb. Auf Basis der Erfahrungen mit den Brennstoffzellen-betriebenen Citaro-Stadtbussen aus dem Jahr 2003 einerseits sowie dem Hybridkonzept andererseits entstand eine neue Generation des Brennstoffzellenbusses. Der Antrieb ist gleich aufgebaut wie oben beim Citaro G Hybrid beschrieben, nur ist statt des Dieselmotors eine Brennstoffzelle sowie der dafür erforderliche Wasserstofftank eingebaut. Entsprechend produziert hier die Brennstoffzelle den Strom für die Lithium-Ionen-Batterie, die wiederum die Radnabenmotoren speist.

Im Gegensatz zur ersten Generation des Brennstoffzellen-Citaro, bei dem der produzierte Strom einen herkömmlichen Zentralmotor und dieser über ein Getriebe die Hinterachse antrieb, kann der Strom bei der neuen Generation unmittelbar in den Stromkreis des Antriebs eingespeist und damit der Wirkungsgrad deutlich verbessert werden. Zudem wurde das Brennstoffzellen-System als solches überarbeitet: Mercedes-Benz rechnet nun mit einer auf mindestens sechs Jahre erhöhten Lebensdauer der Brennstoffzellen bei gleichzeitig verringertem Wartungsaufwand. Außerdem wird eine Reduzierung des Wasserstoffverbrauchs um die Hälfte erwartet, wozu neben der Nutzung der Bremsenergie auch das um rund eine Tonne verringerte Gewicht beiträgt. Auch vom Citaro FuelCell Hybrid wird die Hamburger Hochbahn AG im Jahr 2010 eine Kleinserie von zehn Bussen in Dienst stellen, insgesamt plant Mercedes-Benz erneut 30 Brennstoffzellenbusse der neuen Generation.


Fazit

Hybridbusse sind das beherrschende Technologiethema der Stadtbushersteller in den letzten drei Jahren. Durch verschiedene Förderprogramme der Bundesregierung - zuletzt vor allem auch im Rahmen der Konjunkturpakete - erhält die Elektromobilität politischen wie finanziellen Schwung. Mercedes-Benz hat nach über dreijähriger Entwicklungs- und Erprobungsphase den Citaro G Hybrid nun erstmals in den Linieneinsatz gebracht, und 2010 steht die Auslieferung einer ganzen Reihe von Kundenfahrzeugen an. Die dadurch erreichten Stückzahlen erlauben den Test der Alltagstauglichkeit von Hybridkonzepten ebenso wie Untersuchungen zur Verbrauchsreduzierung im tatsächlichen Linieneinsatz. Von deren Ergebnissen wird abhängen, welches Hybridkonzept sich als für den Stadtbusbereich am besten geeignet herausstellt, und ob eine (zumindest teilweise) Refinanzierung der Mehrkosten durch Verbrauchseinsparungen möglich ist. Der von Mercedes-Benz gewählte weitgehende Ansatz des seriellen Hybrids mit der Möglichkeit des reinen Batteriebetriebs scheint durchaus vielversprechend - mit mehr als doppelt so hohem Anschaffungspreis im Vergleich zu einem herkömmlichen Gelenkbus ist der Hybridbus momentan aber nur mit erheblicher politischer Förderung wirtschaftlich vertretbar.



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