Das stadtbus.de-Thema


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Das langsame Ende des Kombibusses

von Dirk Dannenfeld

Vor fünfzig Jahren war es noch einfach: Wollte man einen Linienbus haben, orderte man seinen O 3500 oder Büssing mit Falttüren und einfachen Sitzbänken, wollte man einen Reisebus haben, spendierte man Schlagtüren und gepolsterte Sitze. Zur Not konnte man aber auch mit dem Linienbus einen Ausflug und mit dem Reisebus einen Linienkurs fahren. Doch mit der weitestgehenden Spezialisierung hin zu unseren heutigen Niederflurbussen und Superhochdeckern ist das nicht mehr so simpel. Deshalb entwickelte die Fahrzeugindustrie aus dem „einfachen“ Reisebus den sogenannten Kombibus, von den Herstellern auch gerne „Doppelverdiener“ genannt, weil er alle Einrichtungen besaß, um unter der Woche im Linienverkehr zu laufen, aber vom Komfort und Kofferraumvolumen ein einigermaßen vollwertiger Reisebus war.

Gerade im ländlichen Raum profitierte der ÖPNV ungemein von dieser neuen Fahrzeugkategorie, bot sie doch die Chance, auch für wenig ausgelastete Umläufe durch den Zusatzverdienst im Mietbusverkehr attraktive Fahrzeuge vorzuhalten. So konnten alte Fahrzeuge betriebswirtschaftlich darstellbar durch Neufahrzeuge ausgetauscht werden, auch wenn sie nur wenige Kilometer liefen oder die Umläufe von den Auftraggebern schlecht bezahlt wurden. Die Einbeziehung von Kombibussen in die GVFG-Busförderung (wenn auch meist mit Abzügen) tat ihr übriges.

Trotzdem heißt dieser Artikel „Das langsame Ende des Kombibusses“: Denn ihr großer Vorteil erweist sich auch als die größte Crux. Schließlich ist die Busflotte auf die Spitzenzeit, also den Schulverkehr dimensioniert. Außerhalb dieser Zeit – und das sind werktags immerhin mindestens 20 von 24 Stunden – stehen die Busse arbeitslos herum. Die Betriebswirte sprechen von einem Überangebot. Durch den hohen Fixkostenanteil in der Branche ist es leicht, die Busse zu günstigen Preisen auf den Markt zu bringen, damit er „wenigstens noch ein bischen Geld verdient“. Gerade im Mietbusmarkt, der durch Faktoren wie die steuerfinanzierten Dumpingangebote der Bahn (Stichwort „Schönes-Wochenende-Ticket“) sowieso stark rückläufig ist, können so selbst hochwertige Reisebusse nur noch zu Billigpreisen abgesetzt werden. Der Kombi macht also die Preise kaputt.

Und auch der beste Kombi wird immer ein Kompromiss bleiben: Für Fernreisen steht meist nicht genügend Kofferraum zur Verfügung, Wechseltoiletten bieten nicht den gleichen Komfort wie fest eingebaute und der im ÖPNV ja selten auszuschließende Vandalismus trägt nicht gerade zum hochwertigen Image des Produkts „Busreise“ bei. Auf stark frequentierten Linien macht sich der hohe und schmale Einstieg unangenehm bemerkbar und für Stoßzeiten bieten die Kombis meist zu wenige Stehplätze. Auf dem Land, wo große Entfernungen zurückgelegt werden, macht der Reisekomfort diese Nachteile wieder wett, in Ballungsräumen erweisen sich Kombibusse oftmals aber als wenig geeignet.

Nicht zuletzt ist durch den immer stärker werdenden Wettbewerbsdruck im ÖPNV bei den Verkehrsunternehmen schon jetzt eine stärkere Spezialisierung feststellbar: Unternehmen mit starkem ÖPNV konzentrieren sich auf dieses Geschäftsfeld und setzen dafür dann auch meist reinrassige Linienbusse ein, während im Reiseverkehr in Zukunft das Geld vermehrt im hochwertigen Segment zu verdienen sein dürfte. In beiden Philosophien ist für Kombibusse kein Platz mehr.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Im ländlichen Raum und im Auftragsverkehr für die Regionalbusgesellschaften werden die Kombibusse weiterhin eine Daseinsberechtigung haben, da hier die Erlöse den Einsatz neuwertiger Linienbusse nicht rechtfertigen. In Ballungsraümen und auf Hauptlinien aber werden sich reinrassige Linienbusse – vielfach mit Niederflurtechnik – durchsetzen. Kombi- und Reisebusse werden bei ÖPNV-Unternehmen vielleicht noch als „Flaggschiffe“ vorhanden sein, während traditionelle Reiseunternehmen vermehrt auf einen Kundenkreis setzen werden, die mit Kombibussen nicht bedient werden kann. Nicht zuletzt der Druck der Aufgabenträger wird im ÖPNV für eine Zurückdrängung der Kombis sorgen. Auch wenn flächendeckende Ausschreibungen außer in Hessen noch einige Jahre auf sich warten lassen dürften, wenn sie überhaupt kommen, werden schon in den Nahverkehrsplänen künftig vermutlich vermehrt Aussagen zu den einzusetzenden Fahrzeugen zu finden sein.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Kombibus ist nicht am Ende, aber er wird eine andere, sicherlich geringere Bedeutung erlangen.


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