Das stadtbus.de-Thema


Unter der Rubrik "Das stadtbus.de-Thema" wird monatlich ein aktuelles Thema aus dem Omnibusbereich kommentiert. Zur weitergehenden Diskussionen der Leser zum jeweiligen Kommentar steht die stadtbus.de-Mailingliste zur Verfügung. Bitte beachten Sie, dass der Kommentar die Meinung des Verfassers widergibt, nicht jedoch die der stadtbus.de-Redaktion.


Sponsoring im ÖPNV - Der moderne Defizitausgleich.

von Manuel Bosch

Die Wirtschaftlichkeit eines Verkehrsunternehmens ist heutzutage wichtiger denn je. In Zeiten des aufkommenden Wettbewerbs, des Entfalls von Querverbundausgleichen aus einträglicheren Sparten kommunaler Versorgungsbetriebe sowie zahlloser Haushaltssperren in den Gemeinden müssen die Betriebe sämtliche Möglichkeiten zur Kostenminderung in der Produktion und Vermarktung von Verkehrsleistungen ausschöpfen. Zusätzlich zu internen Umstrukturierungen werden dabei zunehmend auch externe Maßnahmen aufgegriffen, beispielsweise das Sponsoring von Linien oder Haltestellen.

Bei der werbegestützten Finanzierung von Haltestellen trägt das werbende Unternehmen zumeist die Kosten für die Neueinrichtung einer Haltestelle, das Mobiliar sowie die Unterhaltungs- und Reinigungskosten. Im Gegenzug erhält die Haltestelle den Namen des zahlenden Unternehmens. Diese Methode bietet sich grundsätzlich bei Haltestellen am Firmensitz oder Handelshäusern des jeweiligen Unternehmens an, das somit über einen "eigenen ÖPNV-Anschluss" verfügt, der in allen Fahrplanmedien durch die Haltestellenbenennung eindeutig für den Standort des Unternehmens wirbt und die Erreichbarkeit erleichtert.

Das Sponsoring ganzer Linien hat seinen Ursprung in der Anbindung von Supermärkten oder Einkaufszentren an den Öffentlichen Nahverkehr durch eigens eingerichtete Linien. Das Handelsunternehmen oder das Einkaufszentrum finanzieren diese Verbindung, die im Gegenzug in den meisten Fällen mit einem solchen Omnibus bedient wird, der eine Werbebeschriftung für das jeweilige Unternehmen aufweist. Zentraler Vorteil für den Sponsor ist auch in diesem Fall der Anschluss an den ÖPNV bei gleichzeitiger Hervorhebung des Firmennamens im Bereich dieses Verkehrsangebotes. Das beauftragte Verkehrsunternehmen bedient die Linie kostenneutral, das reguläre Verkehrsangebot und seine Finanzierung bleiben jedoch unberührt.

Darüber hinaus gibt es in den letzten Jahren weitere Initiativen, die eine Fremdfinanzierung regulärer Bahn- oder Buslinien ohne besondere Verkehrsfunktion im Sinne des sponsernden Unternehmens vorsehen. Als Gegenleistung für die finanzielle Unterstützung werden mit Werbebeschriftungen auf Außenflächen und im Fahrgastraum versehene Fahrzeuge eingesetzt sowie die Linie vielfach mit einer den Unternehmensnamen einbeziehenden Linienbezeichnung (Beispiel: "Sparkassen-Express") geführt, die auf Fahrtzielanzeigen, an Haltestellen und in sämtlichen Fahrplanmedien angegeben ist.

In diesem Fall bietet es dem Sponsoringunternehmen die Möglichkeit, seinen Unternehmensnamen sehr offensiv zu bewerben und im Rahmen des gesamten Verkehrsablaufs auf der finanzierten Linie ins unmittelbare Bewusstsein der Fahrgäste zu rücken. Neben der direkten Werbung für das Unternehmen und seine Produkte kann mit dem Liniensponsoring auch eine Verbesserung des Unternehmensimage erzielt werden, da von den Kunden ein Engagement im Bereich des öffentlichen Lebens wahrgenommen wird. Für das Verkehrsunternehmen bietet sich der Vorteil, eine finanzielle Unterstützung im Bereich des regulären Verkehrsangebotes zu erhalten und somit die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Zugleich rückt durch derartige Sponsoringaktionen der öffentliche Personennahverkehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit - der ÖPNV an sich partizipiert an der gesteigerten Aufmerksamkeit, welche die Markenbildung einer gesamten Linie mit sich bringt.

Dennoch entsteht durch das Sponsoring einer Linie ein Interessenkonflikt zwischen dem möglichst weitreichenden Auftritt des werbenden Unternehmens an Fahrzeugen, Haltestellen und in Fahrplanmedien einerseits und der anzustrebenden einheitlichen und eindeutigen Gestaltung des Verkehrsangebotes einer Region. Einheitliche Farben und Hinweise im gesamten Verkehrsbereich - von den Fahrplanmedien über Haltestellen bis zur Fahrzeuggestaltung - werden als grundlegende Maßnahmen einer erfolgreichen Vermarktung des ÖPNV angesehen, die den Nahverkehr als einheitliches Element ins Bewusstsein der Bürger rücken, zugleich eine Identifikation des Fahrgastes mit seinem Verkehrsunternehmen sowie eine Minimierung von Zugangsbarrieren erzielen soll. Hier ist durch die sinnvolle Verbindung des Corporate Identity des Verkehrsunternehmen und des Werbeauftritts des Sponsoringunternehmens ein für beide Seiten akzeptabler Kompromiss zu suchen, der die Interessen beider Partner und der jeweils zu erreichenden Kundengruppen berücksichtigt.

Neben der Wahrung der einheitlichen Gestaltung des Gesamtverkehrsangebotes darf auch die Bedeutung der Fahrgastinformation nicht vernachlässigt werden. Werbehinweise in Fahrplanmedien und an Haltestellen sind in der Weise dezent und überlegt platziert auszuführen, dass der Nahverkehrskunde vorrangig die gewünschten Informationen zu Abfahrtszeiten, Linienbezeichnungen und Fahrtwegen erhält und nicht Werbebanner den überwiegenden Teil der entsprechenden Medien ausmachen. Dies gilt gleichermaßen auch für die Nennung des Sponsorennamens auf Fahrtzielanzeigen - zumeist als Linienbezeichnung wie oben genannt. Liniennummer und Fahrtziel müssen eindeutig als wichtigste Informationen erkennbar sein, der Sponsorenname darf nicht als auffälligstes Element einer Fahrtzielbeschilderung ausgeführt sein. Andernfalls kann sich dies nachteilig zunächst auf die Informationsqualität für den Fahrgast und in der Folge auch als negative Auslegung gegenüber dem werbenden Unternehmen auswirken.

 
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Werbefinanziertes Nachtbus-Netz in
Bonn, im Bild die "Bouvier-Linie"
(Aufnahme: Stefan Baguette).

Prädestiniert für eine solche Sponsoringmaßnahme sind insbesondere Linien, die nur eine geringe Kostendeckung aufweisen. So sind beispielsweise Nachtbus-Angebote generell mit zusätzlichen Kosten für das Verkehrsunternehmen verbunden, gleichzeitig die Einnahmen aus dem Ticketverkauf durch die Nutzung von Monatskarten oder ermäßigten Gruppenkarten gering. Als Musterbeispiel für einen werbefinanzierten Nachtbusverkehr sei auf das Nachtbus-Netz der Stadtwerke Bonn verwiesen - jede Linie wird von einem anderen Sponsor finanziert, nach dem die Linie benannt ist. Für den Einsatz werden Wagen mit einer entsprechenden Vollwerbung vorgehalten, zudem erscheint der Unternehmensname in der Fahrtzielanzeige sowie in den Fahrplanmedien. So kann ein gut ausgebauter Nachtverkehr kostenneutral angeboten werden, der außerordentlich positiv von den Fahrgästen angenommen wird und somit das Image von Verkehrsunternehmen wie Sponsoringpartner aufbessert.

Neben den bereits dargestellten Kompromissen bei der Gestaltung von Erscheinungsbild des Verkehrsangebotes und Sponsorenwerbung ist allerdings zu beachten, dass das Liniensponsoring einen gewissen Umfang nicht überschreiten sollte. Zum einen sorgt eine Überflutung ganzer Verkehrsnetze mit werbefinanzierten Linien ab einem bestimmten Maße für eine abnehmende Toleranz der Fremdwerbung, zum anderen kann auch eine Art der "Normalisierung" von Liniensponsoring auftreten, die die oben dargestellten positiven Effekte für Verkehrsbetrieb und werbendes Unternehmen weitaus geringer ausfallen lässt. Eine praktikable Lösung scheint hier die Beschränkung auf Teilbereiche - wie beispielsweise den Nachtverkehr oder bestimmte weitere Linienproduktangebote - darzustellen.

Unter Berücksichtigung aller genannten Punkte bietet das Sponsoring im ÖPNV heutzutage eine legitime Methode, die Finanzierung eines umfassenden Verkehrsangebotes sicherzustellen. In den Zeiten allseits knapper Kassen und der Notwendigkeit des Erreichens der Wettbewerbsfähigkeit durch möglichst wirtschaftliche Produktion von Verkehrsleistungen ist die Fremdfinanzierung ein sinnvolles Mittel, solange es sich zum Vorteil beider Partner und vor allem der Fahrgäste im ÖPNV auswirkt. Fahrgastinformation und strukturierte Erkennbarkeit des Verkehrsangebotes für alle Fahrgastgruppen dürfen nicht beeinträchtigt werden. Zugleich muss jedoch berücksichtigt werden, dass ein Sponsoring im ÖPNV nicht als Allheilmittel verstanden werden darf und nur in sinnvoller Ergänzung mit weiteren Maßnahmen der Verkehrsunternehmen erfolgreich eingesetzt werden kann.


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