Das stadtbus.de-Thema


Unter der Rubrik "Das stadtbus.de-Thema" wird monatlich ein aktuelles Thema aus dem Omnibusbereich kommentiert. Zur weitergehenden Diskussionen der Leser zum jeweiligen Kommentar steht die stadtbus.de-Mailingliste zur Verfügung. Bitte beachten Sie, dass der Kommentar die Meinung des Verfassers widergibt, nicht jedoch die der stadtbus.de-Redaktion.


Von der Hardware zum Mobilitätsdienstleister

- Neue Unternehmensphilosophien sind für den ÖPNV der Zukunft gefragt -

von Dirk Dannenfeld

Im ÖPNV tut sich was – das hat wohl inzwischen jeder Beteiligte begriffen. Nicht nur durch die europäische Gesetzgebung, sondern nicht zuletzt auch durch die Ebbe in den öffentlichen Kassen und die Notwendigkeit, dass staatliches Handeln auf die Kernaufgaben beschränkt bleibt, ist ein stärkerer Wettbewerb im ÖPNV – in welcher Form auch immer – keine Frage des Ob, sondern nur noch des Wann.

Für die Verkehrsunternehmen stellt sich hier die Frage der künftigen strategischen Ausrichtung. Bei den privaten Unternehmen heißt die Philosophie oft immer noch: „Wir haben einen Bus, was können wir damit machen?“ Also wird der Bus für alle möglichen Zwecke eingesetzt: Linienverkehr, Auftragsverkehr, Reiseverkehr, Schülerverkehr usw. Man geht also von der Hardware aus und schaut, wo man diese verwenden kann.

Nicht anders sieht es im kommunalen Bereich aus: Hier ist die Hardware allerdings weniger der Bus, sondern wichtigster Faktor ist das Personal. Gegen starke, gewerkschaftsdominierte Personalräte traut sich kein Management, wirklich radikale Schritte hin zur Wettbewerbsfähigkeit einzuleiten. Nicht selten sehen auch Kommunalpolitiker aller Couleur kommunale Verkehrsunternehmen als kommunalpolitisches Instrument und Verfügungsmasse an.

Aber was will der Kunde? Den interessiert es wenig, wie er befördert wird und welche Personalstruktur und Tarifverträge dahinter stehen. Nein, das einzige Interesse des Kunden ist, von A nach B zu kommen. Und das möglichst bequem, schnell, häufig und günstig. Das unterscheidet sich völlig von den Kundenbedürfnissen im Reiseverkehr, wo die Reise selbst das Produkt darstellt.

Unbestritten: private Verkehrsunternehmen können Verkehrsleistungen am günstigsten erstellen. Aber es besteht genau diese Gefahr, dass die Verkehrsunternehmen genau auf diese Aufgabe reduziert werden: Das möglichst günstige Erstellen von Verkehrsleistungen! Nun ist die Verkehrsleistung an sich ein relativ standardisiertes Produkt, bei dem sich wenige Möglichkeiten anbieten, sich von anderen Anbietern abzuheben. Denn der Kunde oder Aufgabenträger wird nur bedingt bereit sein, einen wesentlich höheren Preis nur für einen freundlicheren Fahrer und einen neueren Bus zu zahlen.

Also wird sich der Wettbewerb in diesem Segment hauptsächlich über den Preis abspielen. Wenn man die Preisentwicklung in den Märkten betrachtet, in denen es schon heute nur um die Erstellung von Fahrleistungen geht, etwa beim Mietbus- oder beim Auftragsverkehr, ist unschwer vorauszusagen, dass die Gewinne der Verkehrsunternehmen von ihrem heute schon bescheidenen Niveau weiter massiv zusammenschmelzen werden.

Der Ausweg kann nur heißen: Weg von der Konzentration auf die Hardware. Das integrierte Management von Nahverkehrsnetzen wird die neue Herausforderung, und damit wird sich in Zukunft gutes Geld verdienen lassen. Dazu gehören nicht nur Busse und Bahnen, dazu gehören Car-Sharing und bedarfsorientierte Verkehre genau so wie das Management von Infrastruktur wie z. B. Umsteigeanlagen. In der Schweiz experimentiert man sogar schon mit Mitnahmesystemen, einer Art organisiertes Trampen. All dies können und sollten Verkehrsunternehmen leisten, wenn sie in Zukunft Geld verdienen wollen.

Die Chancen dafür stehen gut: Mittelfristig werden sich die Aufgabenträger ihre teuren ÖPNV-Bürokratien und angeschlossenen Verbundgesellschaften nicht mehr leisten können, so dass intelligente unternehmerische Konzepte eine große Chance haben werden. Die Managementebene könnte so wieder unternehmerisch und nicht mehr politisch bestimmt werden.

Dazu bedarf es insbesondere der Investition in Köpfe und einer Revolution im Denken von Mitarbeitern und Management. Nicht mehr der Bus oder die soziale Absicherung darf im Mittelpunkt stehen, sondern alle sollten vom Produkt, das sie verkaufen möchten, ausgehen. Und das heißt eben Mobilität.


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