Das stadtbus.de-Thema


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Nach dem Urteil

von Dirk Dannenfeld

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat gesprochen - und es geht ein Aufatmen durch die ÖPNV-Branche: Keine Rückzahlungen gewährter Zuschüsse, keine sofortigen Ausschreibungen aller Verkehre. Aber doch klare Richtlinien, was in Zukunft geht und was nicht. Und das wird sicher nicht alles das sein, was heute noch Praxis ist.

Doch alles schön der Reihe nach - was ist denn da überhaupt passiert? Angefangen hat alles im Landkreis Stendal. Da haben sich zwei Verkehrsunternehmen - das eine mit, das andere ohne Busse - gefragt, ob die öffentliche Hand denn überhaupt Zuschüsse für den ÖPNV gewähren könne, ohne die Leistungen auszuschreiben. Das Ganze ging dann bis zum Bundesverwaltungsgericht, und das hat gesagt - wissen wir auch nicht. Und hat dann zwei Fragen an den EuGH in Luxemburg gestellt. Die eine war, ob denn Staaten den ÖPNV von der Anwendung der europäischen Vorschriften ganz oder teilweise ausnehmen können, und die andere, ob Zahlungen im ÖPNV grundsätzlich als (verbotene) Beihilfen nach dem EU-Vertrag zu werten sind.

Der EuGH hat zur ersten Frage klar gemacht, dass der ÖPNV auch teilweise von der Geltung der EU-Vorschriften ausgenommen werden kann und das könnte in Deutschland der eigenwirtschaftliche Bereich sein. Allerdings muss diese Ausnahme rechtssicher erfolgen. Zur zweiten Frage haben die Richter erklärt, dass Zuschüsse im ÖPNV keine unzulässigen Beihilfen darstellen, wenn vier Voraussetzungen eingehalten werden:

1. Das Unternehmen muss tatsächlich mit Aufgaben betraut sein, die es ohne entsprechenden Ausgleich nicht durchführen würde.
2. Der Ausgleich muss vorher nach klaren Parametern definiert werden.
3. Der Ausgleich darf die Kosten minus der Einnahmen zuzüglich eines angemessenen Gewinns nicht überschreiten.
4. Wenn die Verkehre nicht ausgeschrieben wurden, sind die Kosten eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens zugrunde zu legen.

Das Urteil war natürlich zunächst einmal ein schönes Arbeitsbeschaffungsprogramm für die diversen Fachjuristen, die je nach Standpunkt zu völlig unterschiedlichen Aussagen kamen, aber alle erklärten, das Urteil bestätige genau ihre Position.

Aber worauf müssen sich die Beteiligten nun wirklich einstellen? Zum Einen hat der EuGH klar gemacht, dass er keinen Systembruch (wie die Kommission) verlangt, sondern das System nur im Sinne der Fairness und Transparenz angepasst sehen möchte. Für den EuGH gibt es keine Zuschüsse mehr, sondern nur noch Ausgleichszahlungen. Damit bestätigt er, dass ÖPNV zunächst einmal ein wirtschaftlicher Bereich und nicht zuerst Daseinsvorsorge ist. Die Luxemburger Richter verlangen keine generellen Ausschreibungen, aber klare Regeln, damit kein Verkehrsunternehmen unfaire Wettbewerbsvorteile bekommt. Insbesondere für die kommunalen Unternehmen, die bislang vom Querverbund leben, dürfte es somit schwierig werden. Einen pauschalen Defizitausgleich am Jahresende gibt es nämlich nicht mehr. Das gibt inzwischen auch der VDV - wenn auch etwas verklausuliert - zu. Nur die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di meint, man könne jetzt genau so weiter machen wie bisher... Viel Spass, liebe Gewerkschaftler!

Wichtig ist auch, dass der EuGH den Ball der Rahmensetzung wieder an die Mitgliedsstaaten zurückgespielt und denen einen weiten Spielraum bei der Gestaltung ihres ÖPNV eingeräumt hat. Politik und Verwaltung in Deutschland können sich also nicht mehr hinter dem Argument verstecken, es komme ja sowieso eine EU-Verordnung und dann werde alles anders. Zumal nämliche EU-Verordnung nach wie vor im Rat feststeckt und keine Ratspräsidentschaft anscheinend Lust hat, sich daran die Finger zu verbrennen. Nach dem Urteil ist der Sinn einer neuen EU-Verordnung auch mehr als zweifelhaft.

Also: Gut gemacht, EuGH! Jetzt liegt es an der nationalen Politik, den Rechtsrahmen entsprechend anzupassen. Aber mit Augenmaß und nicht mit einer Totalverstaatlichung a la Hessen.


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