Das stadtbus.de-Thema


Unter der Rubrik "Das stadtbus.de-Thema" wird monatlich ein aktuelles Thema aus dem Omnibusbereich kommentiert. Zur weitergehenden Diskussionen der Leser zum jeweiligen Kommentar steht die stadtbus.de-Mailingliste zur Verfügung. Bitte beachten Sie, dass der Kommentar die Meinung des Verfassers widergibt, nicht jedoch die der stadtbus.de-Redaktion.


„Früher war alles besser...“

- Ursachenforschung zur gesunkenen Qualität aktueller Omnibusse -

von Jens Gerwien

In allen möglichen Bereichen des Lebens hat jeder wohl diesen Ausspruch schon gehört. „Früher war alles besser“. Dieser Ausspruch trifft auch im ÖPNV sicher auf mehrere Faktoren zu – der täglich immer wieder offensichtlichste Faktor sind aber die Fahrzeuge.

Landauf, landab häuft sich das Phänomen, dass zehn Jahre alte Busse besser in Schuss wirken als die vielleicht gerade einmal halb so alten Fahrzeuge der Nachfolgegeneration. Die Schuld hieran kann man noch nicht einmal der Niederflurbauweise geben, die aufgrund der beengten Verhältnisse für die Unterbringung aller Komponenten ja Abstriche fordert, denn auch die zehn Jahre alten Fahrzeuge waren schon podestlose Niederflurwagen. Woran liegt es also dann?

Es wäre jetzt einfach, den schwarzen Peter allein den Fahrzeugherstellern zuzuschieben. Die Verantwortung für den rapiden Qualitätsverlust liegt aber verteilt bei Herstellern, Bestellern und den Betrieben, denn:

1. Aufgrund der in der Regel ja immer notwendigen Ausschreibung der Fahrzeugneubeschaffungen muss jeder Hersteller mit äußerst spitzem Bleistift kalkulieren, da man ja das unschlagbare Angebot bieten will, um den Zuschlag zu erhalten. Diese Kalkulation kann nur dann aufgehen, wenn man auf der anderen Seite bei der Produktion versucht, „Abläufe zu optimieren“ (offizielle Formulierung) – sprich: spart, wo es nur irgendwie möglich erscheint. Bei Ablieferung sieht das Fahrzeug dann in der Regel perfekt aus, die Resultate des Sparens in der Produktion zeigen sich dann aber im Alltag immer häufiger sehr schnell. Klappernde Plastikverkleidungen, wackelige Haltestangen, aus ihrer Position wandernde Gummidichtungen für eingesetzte Plexiglasscheiben im Innenraum sind da nur die Spitze des Eisbergs. Der aufmerksame Fahrgast stellt dann auch schon einmal fest, dass die Fensterholmverkleidung, die sich neben seinem Sitzplatz schon um Holmbreite aus Ihrer Position gelöst hat, offenbar nur mit einer Art Sekundenkleber und einigen Punktklebungen direkt auf den lackierten Metallholm geklebt wurde. Dass das nicht ewig halten kann, steht wohl außer Frage.

Gravierender als solche (Innen-)Ausstattungsdetails sind aber sicherlich auftretende Klopf- und Poltergeräusche aus dem Fahrwerksbereich, die sich bei Unebenheiten ungedämmt auf den Wagenboden übertragen. Ursache hierfür sind dann z.B. ausgeschlagene Stabilisatoren, die nicht vorrangig sicherheitsrelevant sind, so dass die Fahrzeuge erst einmal so weiter fahren und nicht gerade Werbung für die moderne Flotte an vorgehaltenen Bussen machen. Eine sofortige Reparatur solcher Schäden gestaltet sich allerdings generell schwierig, denn:

2. bei einigen Ersatzteilen wird der Hersteller mit der Nachfrage überrannt und kommt mit dem Produzieren gar nicht hinterher, da man ja fest davon überzeugt war, dass das alles länger hält. Dass in Zeiten knapperer Kassen zusätzlich immer mehr Betriebe darauf drängen, dass solche Reparaturen auf dem Kulanzweg abgerechnet werden sollen, liegt auf der Hand. Aber das Geld alleine ist es ja gar nicht, denn:

3. das Werkstattpersonal kann das steigende Aufkommen an vorzunehmenden Reparaturen kaum noch abdecken und muss teilweise schon eine Art „Prioritätenliste“ erstellen, um die Situation überhaupt zu meistern. Und so schließt sich der Kreis wieder, denn das (im Rahmen von allgemeinen Einsparungen evtl. auch schon reduzierte) Werkstattpersonal hat genug mit elementaren Reparaturen zu tun und kann sich nicht mehr vernünftig um Detailreparaturen kümmern, die – siehe oben – im Innenraum z.B. warten.

Das Klappern, Quietschen und Umherpendeln von Plastik, Gummi und Haltestangen im Innenraum aber ist der bleibende Eindruck, den der Fahrgast tagtäglich von diesen Fahrzeugen hat. Und mittlerweile ist wirklich ein zehn Jahre altes Fahrzeug der N2-Generation subjektiv für den Fahrgast in einem weitaus besseren Zustand als ein halb so altes Fahrzeug der Nachfolgegeneration, von einem Vergleich zu alten Hochbodenbuszeiten mal ganz zu schweigen. Resultat: die Aussage „früher war alles besser...“

Alle beteiligten Seiten – Hersteller, Betriebe und Besteller der Busse – müssen an einem Strang ziehen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Ruinöse Dumpingpreise, die nur noch durch schnell zusammengeschusterte Fahrzeuge mit „Klappern ab Werk“ geboten werden können, sehen zwar in der Bilanz des beschaffenden Betriebes zunächst gut aus, da man ja ein Schnäppchen gemacht hat – dieses Schnäppchen kann sich dann aber im Laufe der Zeit bitter rächen, wenn der Wagen vor lauter Werkstattaufenthalten sein Soll nicht erfüllen kann. Dass einige der Kosten dann auf dem Kulanzweg der Hersteller trägt, mildert die Ausgaben zwar, aber das stehende Fahrzeug zwingt dazu, mehr Reservefahrzeuge und die entsprechenden Folgekosten hieraus zu tragen, denn der Betrieb muss ja laufen. Und ob die Rechnung auf Dauer aufgeht, muss sich erst einmal zeigen.

Fazit: die Betriebe müssen sich bereit zeigen, auch wieder etwas mehr für einen Bus zu zahlen, damit auch die Qualität (hoffentlich) wieder ein bisschen steigt – leere Kassen hin oder her, denn nur mit qualitativ guten Bussen kann man Fahrgäste zum Umsteigen auf den Bus bewegen.


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