Das stadtbus.de-Thema


Unter der Rubrik "Das stadtbus.de-Thema" wird monatlich ein aktuelles Thema aus dem Omnibusbereich kommentiert. Zur weitergehenden Diskussionen der Leser zum jeweiligen Kommentar steht die stadtbus.de-Mailingliste zur Verfügung. Bitte beachten Sie, dass der Kommentar die Meinung des Verfassers widergibt, nicht jedoch die der stadtbus.de-Redaktion.


Der Omnibusmarkt in Deutschland – eine Bestandsaufnahme

von Manuel Bosch

Die diesjährige Leistungsschau der deutschen Omnibusbranche, die IAA Nutzfahrzeuge in Hannover, liegt nun bereits einige Wochen zurück – stadtbus.de informierte in einem Messebericht über die ausgestellten Linienbusse. Doch wie sind die Hersteller insgesamt momentan aufgestellt?

Mercedes-Benz konnte im Herbst den 10.000 Citaro seit Beginn der Fertigung im Jahre 1997 ausliefern – sicherlich eine stolze Anzahl für ein Produkt, dass zudem in den ersten Jahren mit zahlreichen Kinderkrankheiten und daraus resultierenden Imageschäden die Marktstellung von Mercedes gefährdete. Inzwischen hat der Citaro eine technische Ausgereiftheit erlangt – der nächste Schritt wird die Umstellung auf Euro 4-Motoren sein –, so dass der Stadtbusbereich mit allen Varianten des Citaro von Mercedes gut abgedeckt wird.

Mit einer Ausnahme: Nach Einstellung der Produktion des recht erfolglosen Cito kann Mercedes keinen Midibus mehr anbieten. Zwischen den Niederflur-Ausführungen des Kleinbusses Sprinter und dem 12 Meter langen Citaro klafft eine erhebliche Lücke im Programm der Mannheimer Busbauer, in der MAN und Neoplan zusammen mit Göppel allerhand Varianten anbieten.

Auch im Überlandbereich sieht es für Mercedes im Moment eher schlecht aus: Der dem Setra S 315 UL entlehnte Kombibus Integro kommt allmählich in die Jahre, was vor allem angesichts des aktuell vorgestellten Lion's Regio von MAN deutlich wird. In diesem Segment ist von Mercedes dringend eine Innovation erforderlich, um dem Mitbewerber mit dem Löwen auf der Front ein konkurrenzfähiges Modell entgegen stellen zu können. Dem Citaro Ü fehlt vor allem im Vergleich zum Centroliner Ü von Neoplan, aber auch gegen den Setra S 315 NF ein besseres Fahrwerk für Überlandstrecken. Schließlich ist Mercedes zur IAA Nutzfahrzeuge in einem weiteren, allerdings bislang nicht sehr bedeutenden Segment nicht mit MAN, Volvo oder Scania gleichgezogen: Es wurde kein Low-Entry-Fahrzeug vorgestellt – allerdings soll sich ein solches Fahrzeug in der Entwicklung befinden und erst nach Erreichen der Produktreife präsentiert werden.

Beim ebenfalls zur EvoBus-Gruppe gehörenden Hersteller Setra stellt sich die Frage, inwieweit diese Marke zukünftig für den Linienbusmarkt noch relevant sein wird. Mit dem S 415 GT wurde zur IAA die ComfortClass abgerundet, während die MultiClass mit den für den Linienverkehr relevanten Fahrzeugen der UL- und NF-Bauarten noch ausnahmslos mit Konstruktionen der 300er-Serie bestückt ist. Aus dem S 415 GT können sicherlich linientaugliche UL-Varianten verschiedener Längen abgeleitet werden, doch bei den Niederflurbussen ist es fraglich, ob die Typen S 315 NF und S 319 NF mittelfristig einen direkten Nachfolger erhalten werden. Wird EvoBus künftig nur noch einen Überland-Niederflurbus anbieten? Wird dieser tendenziell eher der Marke Mercedes-Benz oder aber Setra zugeordnet?

Die NEOMAN Bus GmbH hat Jahre der Restrukturierung und Zusammenführung der Marken MAN und Neoplan hinter sich. Dabei konnte MAN sich offenbar auch finanziell erholen und bietet heute eine umfassende Palette an Linienbussen an. Mit dem Lion's City (A21) in neuer Ausführung mit Facelift – in dieser Form eine Symbiose erfolgreicher Teile des alten A21 und des Centroliner von Neoplan – steht ein attraktiver Niederflurbus in allen geforderten Varianten im Markt, lediglich die Breite des Fahrzeugs wird im Gegensatz zum Citaro von Mercedes-Benz weiterhin bei 2,50 statt 2,55 Metern gehalten.

Im Überlandbereich kann MAN mit dem neuen Lion's Regio nun endlich wieder mitreden: Die ÜL-Bauarten waren schon seit längerer Zeit veraltet. Der Ersatz kommt dafür umso innovativer daher und hat gute Chancen auf einen erfolgreichen Start im Segment der Überlandbusse. Mit dem Lion's City T präsentierte MAN in diesem Jahr zudem auch ein kostengünstiges Low Entry-Fahrzeug, wenngleich dieses Modell mit der SÜ-Front ein wenig altmodisch wirkt. Wie sich der Markt für Low Entry-Fahrzeuge in Zukunft entwickelt, bleibt in jedem Falle interessant zu verfolgen.

Bei Neoplan stellen sich nicht nur die Kunden die Frage, ob diese Marke zukünftig einen eigenständigen Auftritt am Markt behalten wird oder Neoplan-Busse immer mehr zu MAN-Duplikaten werden. Mit dem neuen Starliner wurde zur IAA der deutliche Beweis angetreten, dass Neoplan auch zukünftig eigenständig und selbstbewusst auftreten wird. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Tourliner, Trendliner und Centroliner Evolution von den Kunden nur in geringem Umfang angenommen werden. Zu stark orientieren sich diese Modelle an den im MAN-Programm befindlichen Typen, vor allem beim Trendliner (basiert auf dem Lion's Regio) und beim Centroliner Evolution (auf Basis des Lion's City) fällt dieser Umstand auf und schlägt sich in bislang entsprechend geringen Verkaufszahlen nieder.

Was bei Neoplan hingegen in großem Umfang abgesetzt wird, sind – neben den klassischen Reisebus-Bauarten – vor allem der Euroliner in sämtlichen Ausführungen sowie der noch auf ursprünglicher Neoplan-Basis angebotene Centroliner Ü mit Einzelradaufhängung. Hier zeigt sich die Tendenz zu „echten“ Neoplan-Produkten, die von den Verantwortlichen bei NEOMAN nicht vernachlässigt werden sollte.

Als weiterer wichtiger Hersteller für den deutschen Markt konnte sich in erstaunlich kurzer Zeit die Firma Solaris aus Polen entwickeln. In den letzten Monaten waren zahlreiche, auch prestigeträchtige Aufträge aus Deutschland zu verzeichnen – die Stückzahl der in Deutschland eingesetzten Linienbusse des Typs Urbino steigt ständig. Mit der überarbeiteten Version als Urbino III ist das Fahrzeug auf dem aktuellen Stand, mit vier verschiedenen Längenvarianten zudem auch in allen wichtigen Größen erhältlich. Solaris ist zudem ebenfalls dem Trend zum Low Entry-Bus gefolgt und bietet einen solchen Wagen auf Basis des Urbino an.

Alle weiteren Busproduzenten spielen im deutschen Linienbusmarkt zur Zeit nur eine untergeordnete Rolle. Volvo konnte einzelne Fahrzeuge des Niederflurbusses 7700 sowie inzwischen offenbar auch des Low Entry-Fahrzeugs 8700 LE absetzen, Scania ebenso nur einzelne Exemplare der Bauarten OmniCity und OmniLink. Für Van Hool ist allenfalls die mancherorts aufkommende Tendenz zu Doppelgelenkbussen interessant, da man in diesem Segment bislang Monopolist ist. Bei Irisbus wurden zur IAA die Deutschland-Aktivitäten nach jahrelanger Zurückhaltung wieder verstärkt – es bleibt abzuwarten, wie die Kunden dies annehmen.

Resultierend zeigt sich, dass Mercedes-Benz einige Hausaufgaben vor sich hat, während MAN zur Zeit gut aufgestellt ins Rennen geht. Bei Neoplan muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass die Kunden keine MAN-Duplikate akzeptieren wollen. Wie lange die aufstrebende Tendenz von Solaris anhalten wird, muss sich ebenso zeigen wie die Erkenntnis, ob Low Entry-Fahrzeuge auf dem deutschen Markt wachsende Anteile verbuchen können. Nur eines ist sicher: der deutsche Omnibusmarkt bleibt auch in Zukunft spannend.


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