Das stadtbus.de-Thema


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Low Entry - Modeerscheinung oder neues Marktsegment?

von Manuel Bosch

Im Herbst 2005 vervollständigt Mercedes-Benz mit der Low Entry-Version des Citaro das Angebot an Low Entry-Bussen für den westeuropäischen Markt. Nachdem Volvo und Scania bereits seit längerer Zeit solche Fahrzeuge anbieten, hatte MAN zur IAA Nutzfahrzeuge 2004 ein entsprechendes Produkt vorgestellt. Als Low Entry-Busse werden solche Omnibusse bezeichnet, die bis zur zweiten Achse über einen Niederflur-Innenraum mit stufenlosen Einstiegen verfügen, deren Heckbereich aber auf Hochflurniveau liegt und über Stufen im Fahrgastraum zu erreichen ist.

Vor allem in Skandinavien, aber auch in anderen europäischen Ländern ist der Low Entry-Bus deutlich etablierter als in Deutschland. Hierzulande hat sich der Niederflurbus ab der zweiten Generation Mitte der neunziger Jahre sehr schnell durchgesetzt und macht heutzutage einen Großteil der Neuzulassungen von Linienbussen aus - nicht nur im Stadtverkehr, sondern vielfach auch im Überlandverkehr. Die Variante eines Low Entry-Busses kommt erst rund ein Dutzend Jahre nach dem ersten Niederflurbus der zweiten Generation als Alternative hinzu, während sie in anderen Staaten schon parallel zum reinen Niederflurbus ihren Marktanteil gewann.

Dabei tritt der Low Entry-Bus mit dem Anspruch an, die Vorteile klassischer Hochflurbusse mit denen von Niederflurwagen zu kombinieren: Stufenloser Einstieg an der ersten und zweiten Tür für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste mit der Möglichkeit podestloser Sitze zwischen den Türen, zugleich aber unter dem Hochflurheck genügend Platz zur wirtschaftlichen Anordnung der Aggregate mit besseren Leistungswerten und einfacherer Wartung. Somit steht der vordere Bereich nicht nur den mobilitätsbeschränkten Kunden zur Verfügung, sondern auch eher kurz im Fahrzeug verweilenden Fahrgästen, während Fahrgäste mit längerer Reisedauer im hinteren Bereich Platz nehmen können.

Bei Volvo und Scania haben die Low Entry-Varianten einen festen Platz im Programm zwischen Niederflurbus und Hochflur-Überlandbus und sind von der Ausstattung und Optik der jeweils aktuellen Variante vollwertig angepasst. Ähnliches gilt auch für Solaris mit dem Urbino LE, der zwar im Beschaffungspreis recht günstig liegt, aber aus einem vom Markt angenommenen reinen Niederflurbus weiterentwickelt wurde. Der in der Türkei hergestellte Low Entry-Bus von MAN basiert hingegen auf dem ebenfalls dort gefertigten Lion's City Classic (SL/SÜ), dem der Vorderwagen des Niederflurbusses A21 eingefügt wurde. Durch die vielen vom SL übernommenen Elemente einschließlich der Optik wird das Fahrzeug wie auch die SL/SÜ als "Billigbus" wahrgenommen, wobei der Preis des türkischen Produktes in der Tat recht moderat ausfällt.

Dass der Preis aber auch bei einem Low Entry-Bus nicht nur davon abhängt, dass die Aggregate eben günstiger anzuordnen sind, sondern die verwendeten Komponenten und der Fertigungsort wie bei jedem anderen Bus auch eine Rolle spielen, zeigt neben Volvo und Scania nun auch Mercedes-Benz: Der neue Citaro LE - der ab Herbst 2005 in einer Stadtversion und ab dem Jahre 2006 als Überlandausführung in zwei Längen produziert wird - liegt preislich nicht günstiger als ein reiner Niederflur-Citaro. Dafür bietet der Citaro LE aktuelle Technik inklusive einer Einzelradaufhängung an der ersten Achse. Damit wird dieser Low Entry-Bus nicht als in der Beschaffung möglichst preisgünstiges Fahrzeug angeboten, sondern soll sich durch die günstigere Wartung und einen höheren Komfort gegenüber reinen Niederflurbussen behaupten.

Wann aber ist ein Low Entry-Bus eigentlich betrieblich sinnvoll? In Deutschland, wo der Niederflurbus wie eingangs geschildert eine dominante Stellung erreicht hat, wird eine größere Stückzahl bislang lediglich in Mittelhessen eingesetzt. Im reinen Stadtverkehr - vor allem in Großstädten, aber auch in Klein- und Mittelstädten - sollte der etablierte Vollniederflurbus aufgrund des einfacheren Fahrgastflusses und der eher kürzeren Reiseweiten auch weiterhin die erste Wahl bleiben. Im Überlandverkehr hingegen ist der Low Entry-Wagen eine überlegenswerte Alternative sowohl zum reinen Niederflur-Überlandbus als auch zu Hochflurbussen, da der Reisekomfort durch den Hochflurbereich hinter der zweiten Tür gesteigert und trotzdem mobilitätseingeschränkten Kunden die Nutzung so weit wie möglich erleichtert werden kann. Ob sich der Low Entry-Bus hier durchsetzen kann, wird allerdings von seinen Kosten sowohl bei Beschaffung als auch im Betrieb abhängen.

Somit haben Low Entry-Fahrzeuge in Deutschland die Chance, nicht zu einer kurzfristigen Modeerscheinung zu werden, sondern durchaus ihre Berechtigung zu erlangen. Das neue Marktsegment Low Entry ist für die Hersteller allerdings zunächst nicht nur in Deutschland interessant, wo der Markt bislang doch recht verhalten reagiert, sondern vor allem in den Ländern, in denen solche Fahrzeuge schon jetzt einen nenneswerten Anteil an den Neubeschaffungen ausmachen. Die Investitionen in die Entwicklung und Produktion von Low Entry-Bussen sollten sich somit hoffentlich auszahlen. Und den Verkehrsunternehmen bietet sich wieder einmal eine zusätzliche Fahrzeuggeneration mehr, um für den jeweiligen Einsatzzweck auch das passende Fahrzeug auszuwählen.


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