Das stadtbus.de-Thema


Unter der Rubrik "Das stadtbus.de-Thema" wird in unregelmäßigen Abständen ein aktuelles Thema aus dem Omnibusbereich kommentiert. Zur weitergehenden Diskussionen der Leser zum jeweiligen Kommentar steht die stadtbus.de-Mailingliste zur Verfügung. Bitte beachten Sie, dass der Kommentar die Meinung des Verfassers widergibt, nicht jedoch die der stadtbus.de-Redaktion.


AutoTram® - die gesunde Mischung zwischen Bus und Straßenbahn?

von Jens Gerwien

Der Betrieb des ÖPNV in Ballungszentren ist eine schwieriges Geschäft. Mit immer weniger zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln muss versucht werden, ein optimal kalkuliertes Angebot zu kreieren, das den potenziellen Kunden auch zum Umstieg vom eigenen Auto auf die öffentlichen Verkehrsmittel bewegen kann. In vielen Städten ist immer wieder von Überlegungen zu Stadtbahnkonzepten die Rede, die aber häufig an einer Sache scheitern: einem immensen Finanzierungsaufwand für Trasse und Fuhrpark, der heutzutage nicht ohne weiteres machbar ist.

An diesem Punkt setzen Überlegungen an, das Vorbild Südamerika aufzugreifen, wo es die sogenannten BRT-Systeme (Bus Rapid Transit) gibt, die in der Regel auf eigener Trasse mit Großraumbussen verkehren, um die entsprechenden Beförderungskapazitäten zu liefern. Die auch hierzulande aufkommende Nachfrage nach Doppelgelenkbussen oder überlangen Gelenkbussen zur Steigerung der Kapazität zeigt diesen Trend auch für europäische Ballungsräume. Der Nachteil dieser Systeme ist jedoch die fehlende Flexibilität - in Schwachlastzeiten können diese Fahrzeuge nicht effektiv eingesetzt werden, sondern stehen im schlimmsten Fall zugunsten kleinerer Fahrzeuge nutzlos im Betriebshof, was entsprechende zusätzliche Kosten nach sich zieht. Ein modulares System wie bei Straßenbahnen, bei dem mehrere Einheiten dem Bedarf entsprechend gekuppelt werden können, erscheint hier ideal. Der Betrieb von Anhängern hinter herkömmlichen Omnibussen ist ein Schritt in diese Richtung, aber auch hier bleibt beim Abkuppeln eines Anhängers dieser nutzlos zurück. Es gilt also, dieses Manko noch zu beseitigen.

Genau diese Idee greift das AutoTram®-Konzept auf, dass von dem Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme in Dresden zusammen mit der HÜBNER GmbH in Kassel erarbeitet wurde. Aufbau und Beförderungskapazitäten sind hier einem Straßenbahnzug sehr ähnlich - die Fahrzeuge sind hierbei aber nicht schienengebunden, sondern befahren gummibereift herkömmliche Asphalt- oder Betonfahrbahnen. Damit eine Flügelung dieser Einheiten in der Praxis funktionieren kann, sind natürlich gewisse Restriktionen zu beachten, was die Konstruktion dieser Fahrzeuge angeht. Entsprechend wurde in Zusammenarbeit mit DESIGNTEAM D aus Karlsruhe eine Designstudie für die AutoTram® entwickelt, die es ermöglicht, zwei symmetrische Einheiten so zu kuppeln, dass diese beispielsweise in den Außenbezirken geflügelt werden können und dann als eigenständige Einheiten zu den jeweiligen Endpunkten weiterfahren. Jede Einheit basiert auf einem 12 m - Niederflurfahrzeug, das am äußeren Ende eine elektrohydraulisch lenkbare Achse aufweist. Im gekuppelten Zustand würde somit die hinterste Achse als Nachlaufachse angesteuert werden können.


Die AutoTram® kann so viele Fahrgäste transportieren wie eine Bahn, ist aber so flexibel einsetzbar wie ein Bus.
© Fraunhofer IVI

Für den Antrieb sieht das Konzept einen diesel- bzw. gaselektrischen Betrieb vor, unter Einbeziehung der aktuell in Hybridfahrzeugen angewandten Technologie zur Energierückgewinnung z.B. aus Bremsenergie. Somit wäre auch ein komplett emissionsfreier Betrieb auf kurzen Teilstrecken machbar. Je nach verwendeten Modulen kann im Rahmen des AutoTram®-Konzeptes eine Zugbildung aus eigenständigen Fahrzeugen mit eigenem Führerstand und Antrieb oder aber auch gemäß dem anderenorts praktizierten Anhängerkonzept durch Anhängen eines (nicht eigenständigen) Modules die Kapazität auf Teilstrecken erhöht werden. Solche Module könnten auch als Mittelmodule einer dreiteiligen Einheit Verwendung finden, so dass die Maximallänge einer AutoTram®-Einheit bis zu 36 Meter betragen kann. Die Kuppel- und Übergangsmodule würden durch einen symmetrischen Aufbau die Kombinationsfreiheit der vorhandenen 12-Meter-Module ermöglichen, der Kuppelvorgang kann zur Vereinfachung des Betriebsablaufes automatisiert werden. Im abgekoppelten Zustand können die Gelenkkomponenten in den Fahrzeugboden eingezogen werden und die vorhandenen Öffnungen der Stirnseiten durch geeignete Systeme (Rolläden oder Klappsysteme) verschlossen werden.

In der Theorie existiert somit schon einmal eine interessante Alternative zu schienengebundenen Stadtbahn-Systemen, die die gleiche Flexibilität bezüglich des Wageneinsatzes bietet. Zudem ist man durch die Unabhängigkeit von einer Oberleitung flexibel bei Betriebsstörungen (wobei das System sicher auch als O-Bus realisierbar wäre, wenn man den Verbrennungsmotor als Energiequelle scheut). Es bleibt nun abzuwarten, wie die Fahrzeughersteller auf diese Studie reagieren und eine Umsetzung in die Praxis unterstützen. Eine interessante Alternative zur Investition in Bahnsysteme ist es in vielen Städten allemal.


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